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Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel
Autoren: Eva Bellin
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jemanden atmen. Aber alles blieb stumm. Sie legte auf.
    Good bye, Ricki. Feige wie alle Kerle. Er war es gewesen. Da war sie sicher.
    Als das Flugzeug startete, hätte sie am liebsten geschrien vor
    Glück. Immer schon hatte sie dieses In-den-Himmel-Steigen fast
    körperlich als Glücksgefühl empfunden. Man ließ alles hinter sich.
    Die Sorgen blieben am Boden. Man startete zu neuen Zielen. Es
    war so faszinierend. Merkwürdig, daß viele Menschen es gar nicht wahrzunehmen schienen.
    Lucie legte den Hörer auf. ›Ricki‹ hatte die am Telefon gehaucht.
    Das Weib, das Unglück über die Familie Hornung gebracht hatte.
    Schande. Die ersten Boulevardblätter hatten bereits gemeldet, daß der gesuchte ›Todes-Liebhaber‹ bei dem Mord im Hotel der angesehene Kaufmann Richard H. aus Rendsburg gewesen wäre.
    Ihr Herz blutete, aber Lucie fühlte sich dem verpflichtet, was ihr geliebter und bewunderter Vater von ihr erwartet hätte. Geradlinig und stolz, so hatte er seine Lucie erzogen und geliebt.
    Sie hatte dem Kriminalbeamten aus Berlin die Wahrheit gesagt,
    aber war es richtig gewesen? War es letztlich anständig gewesen? Sie wollte sich an Richard rächen.
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    Inzwischen war ihr der schreckliche Gedanke gekommen, daß sie
    Richard verdächtigten, diesen Hotelpagen aus Rendsburg umge-
    bracht zu haben. Warum sollten sie sonst am Alibi ihres Mannes
    interessiert sein?
    Aber warum hätte er so etwas Furchtbares tun sollen? Es paßte
    gar nicht zu ihm. Er war niemals ein Mörder.
    Sie rang lange mit sich. Dann rief sie in seinem Büro an und bat ihn um eine Unterredung. Nachdem der Kommissar fortgegangen
    war, hatten sie kein Wort mehr miteinander gesprochen.
    Richard kam umgehend. Und wieder gingen sie in die Bibliothek,
    wo in den letzten Tagen all diese deprimierenden Gespräche stattgefunden hatten.
    »Das Mädchen hat angerufen«, begann Lucie. »Aber ich habe
    nicht mit ihr gesprochen. Sie nannte deinen Namen. Sie sagte
    ›Richard‹ und dann noch ›Ricki‹. Hat sie dich so genannt?«
    »Ja. Nicht immer …«
    »Verschone mich bitte mit Einzelheiten. Richard, ich bin sehr ver-letzt. Du weißt, daß ich dich bei Papa unter größten Schwierigkeiten durchgesetzt habe. Gut, du warst tüchtig im Geschäft. Aber ich habe immer geglaubt, daß wir beide uns unter allen Umständen
    aufeinander verlassen könnten.«
    »Es war das einzige Mal. Lucie!«
    »Ich könnte kein Vertrauen mehr zu dir haben. Was jetzt ge-
    schieht, das ist einfach unglaublich peinlich, für mich und auch für Angela. Die Zeitungen haben deinen Namen. Reporter werden uns
    vom Aufstehen bis zur Nacht beobachten, unser Haus, unser Le-
    ben. Sie werden alles in den Dreck ziehen.«
    »Ich wollte es nicht. Wer hätte an solche Folgen denken können, sag mir das!«
    Richard schaute Lucie an. Sie saß kerzengerade im Sessel. Ihre
    Frisur war untadelig. Auch in verzweifelten Situationen würde sie die Wimpern tuschen. Ihr Papa hatte ganze Arbeit geleistet.
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    Angela war in England. Ein Segen. Er wußte nicht, wie er ihr gegenübertreten sollte. Obwohl er im Grunde seines Herzens wußte, daß Angela anders war als ihre Mutter. Sie würde das alles nicht so tragisch nehmen. Das, was sie wußte. Nicht das andere natürlich.
    In diesem Augenblick fragte Lucie: »Der Kommissar wollte wis-
    sen, wo du warst, als dieser junge Mann ermordet wurde. Ich weiß, daß du dir kürzlich eine Waffe besorgt hattest. Ich habe sie jetzt nirgendwo gefunden. Hast du sie weggeworfen?«
    »Du spionierst mir nach?«
    »Mach dich nicht lächerlich. Sag mir jetzt ganz ehrlich, Richard, hast du den Jungen getötet?«
    »Warum hätte ich das tun sollen?«
    »Er könnte etwas gewußt haben, das ich nicht wissen sollte, zum Beispiel.«
    Richard war schockiert. Das war unheimlich. Er hatte seine Frau offenbar immer noch unterschätzt.
    »Ich liebe dich, Lucie.«
    »Und die im Hotel liebst du auch? Jedenfalls hat sie sich schon wieder gemeldet. Ich möchte dich etwas fragen, und sag mir bitte die volle Wahrheit. Hast du den Jungen getötet?«
    »Nein. Ich schwöre es.«
    Es entstand eine lange Pause. Sie schauten sich nicht an. Richard wußte, daß sie sich niemals wieder voller Zuneigung in die Augen sehen würden. Er hatte Lucie falsch beurteilt. Er hatte gedacht, sie ruhe in sich, sei egozentrisch. Statt dessen hatte sie ihn beobachtet, hinter ihm hergeschnüffelt. Er war das Eigentum, das ihren Erwar-tungen auf der ganzen Linie entsprechen sollte. Nur in einer Hinsicht
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