Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tote im Grandhotel

Der Tote im Grandhotel

Titel: Der Tote im Grandhotel
Autoren: Eva Bellin
Vom Netzwerk:
Spezial-fach war das ›Einschwärzen‹. Eine Connection des Schmuggels, das
    ›nicht offizielle Verbringen von Gegenständen zur Verschleierung ihrer Herkunft‹. Es ging um Zigaretten, Alkoholika, Rauschgift, Kaviar, Raubkopien von Kassetten, pornografische Videos und Ikonen.
    136
    Auf den wichtigsten Straßen und Eisenbahnlinien zwischen Mos-
    kau und Berlin wurden jedes Jahr Unmengen dieser Güter beschlagnahmt. Doch es blieb ein Tropfen auf dem heißen Stein.
    Beschlagnahmte Zigaretten wurden kompostiert, Kaviar landete
    auf dem Müll – er war sowieso unzulässig hoch mit Schadstoffen
    belastet. Ikonen wurden schließlich vom Zoll versteigert. Gerade bei den Ikonen ging es um Riesensummen. Zwei Berliner Galeristen waren bereits ermordet worden.
    Der Juri R. war kein unbeschriebenes Blatt. Er saß nun bereits in Auslieferungshaft. In Österreich wurde er mit internationalem Haft-befehl als mutmaßlicher Mörder gesucht. Möglicherweise hatte er auch in Berlin Morde auf dem Gewissen. Die Mörder aus dem Hotel saßen bereits. Sie waren ja ganz ungeniert mit ihrem ›Seafood Murmansk‹-Auto rumgegondelt. Es würde noch viel gesungen und
    gelogen werden. Und neue Verbrecher verschiedener Nationen, mit Deutschen kräftig durchmischt, würden nachströmen.
    Der alte Kolja Tirow hatte in der Haft einen Schlaganfall erlitten.
    Er hatte die Sprache verloren und saß im Rollstuhl.
    Die göttliche Gerechtigkeit nahm ihren Lauf.
    Zwei der Männer waren entkommen. Den einen hatte die Kleine
    im Krankenhaus als sehr hübsch, ja schön beschrieben. Es war ganz leicht, ihn mit Hilfe eines Fotos zu identifizieren. Er gehörte zu den gesuchten Ikonenschiebern, war offenbar ein Kopf der Truppe.
    Zehn Tage später wurde ein Mord in der Wilmersdorfer Straße
    gemeldet. Einbruchspuren gab es nicht. Das Opfer hatte offenbar dem Mörder selber die Tür geöffnet. Es hatte sich hinknien müssen und war durch einen Kopfschuß getötet worden. Die ebenmäßigen
    Züge waren entstellt, doch war noch soviel zu erkennen: Der Tote war Vlado L., ein Exilrusse. Der Ikonenschieber!
    Die Flucht aus der Villa hatte ihm kein Glück gebracht.
    An Vlados Tod war eine Sonderkommission dran, die eigens für
    Ikonenschmuggel und dessen Umfeld gebildet worden war. Bernd
    137
    Wedel blieb auf seiner alten Spur.
    Die kleine Mieze aus New York war nicht mehr ergiebig. Sie hatte gesagt, was sie wußte oder was sie sagen wollte. Wohin sollte man mit ihr? Sollte man sie etwa einbuchten? Hatte doch gerade genug mitgemacht. Das würde ihr vielleicht eine Lehre sein. Die Wache vor ihrer Tür im Krankenhaus war schon abgezogen worden.
    Britta hatte nur noch einen Wunsch: Zurückzukehren in ihr altes Leben, das sie früher gern als Sklaverei bezeichnet hatte. Sie wollte alles vergessen, sogar Ricki wollte sie vergessen.
    Die Sachen aus dem Hotel wurden gebracht. Im doppelten Futter
    der Manteltasche steckte der Paß. Ein Wunder und zugleich der Beweis, daß ihn dort Diebe am wenigsten finden würden, wenn ihn
    nicht einmal die Polizei dort fand.
    Sie hatte einfach einen Brief an ihren Halbbruder in Düsseldorf geschrieben, der dort Zahnarzt war und bestimmt nicht am Hun-gertuch nagte. Die Reinemachefrau hatte ihn hinausgeschmuggelt
    und offenbar wirklich dichtgehalten.
    Britta und ihr Bruder waren seit Jahren ein bißchen böse miteinander, aber Blut ist dicker als Wasser. Am nächsten Tag traf der Brief in Düsseldorf ein. Ihr Bruder kam mit der nächsten Maschine und gab ihr genügend Geld für die Rückreise. Das war die Hauptsache jetzt.
    Sie zog sich schön an und kämmte und schminkte sich und sah
    wieder aus wie die Britta, die sie vor der Katastrophe gewesen war.
    Unbeschädigt eigentlich.
    Wedel ließ sie ziehen.
    Es sah nicht so aus, als könnte sie ihm noch von Nutzen sein.
    Und New York lag nicht aus der Welt. Britta telegrafierte ihrer milchkaffeebraunen Freundin Lizzi in New York. Sie wollte abgeholt werden vom Airport, wenn es sich irgend einrichten ließ.
    Auf dem Berliner Flughafen überkam sie ganz plötzlich Sehn-
    sucht. Richards Telefonnummer hatte sie im Kopf. Wer ständig mit 138
    dem Telefon arbeitete, entwickelte eine speziel e Technik darin, sich Nummern zu merken. Sie wählte und wartete mit klopfendem Herzen, während es tutete.
    Dann wurde abgehoben.
    Schweigen.
    Britta sagte leise: »Hallo?«
    Weiter Schweigen.
    Ach, er war ihr böse, weil sie ihn hineingezogen hatte in ein
    schlimmes Abenteuer.
    »Richard! Ricki?!«
    Sie hörte
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher