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Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
Autoren: Cody Mcfadyen
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musikalisches Interesse passt zu ihr: voller Nachdenklichkeit und Schönheit, nicht unglücklich, aber ganz bestimmt nicht überschwänglich. Ich freue mich bereits auf den Tag, an dem sie mich bittet, ihr etwas zu kaufen, weil es sie zum Tanzen bringt, doch heute ist es mir egal. Bonnie ist glücklich. Das ist alles, was zählt.
    Wir kaufen uns riesige Salzbrezeln und setzen uns auf eineBank, um zu essen und Leute zu beobachten. Zwei Teenager schlendern vorbei, ohne Augen für irgendetwas außer füreinander. Das Mädchen ist fünfzehn oder sechzehn, brünett, reizlos, mit kleiner Oberweite und dickem Hintern, und es trägt eine tief auf den Hüften sitzende Jeans und ein Trägertop. Der Junge ist ungefähr im gleichen Alter und bewundernswert uncool. Groß, dünn, schlaksig, mit dicker Brille, jeder Menge Akne und Haaren bis über die Schultern. Er hat seine Hand in der Gesäßtasche ihrer Jeans, und sie hat den Arm um seine Taille geschlungen. Beide sind jung und dumm, unbeholfen und glücklich. Sie passen zusammen wie die Faust aufs Auge, und ich muss lächeln.
    Ich bemerke einen Mann mittleren Alters, der eine hübsche Zwanzigjährige angafft. Sie ist wie ein ungezähmtes Pferd, erfüllt von müheloser Vitalität. Üppiges pechschwarzes Haar, das ihr bis tief in den Rücken reicht. Makellose gebräunte Haut. Ein keckes Lächeln, kecke Stupsnase – einfach alles an ihr ist keck, einschließlich ihres Selbstvertrauens und einer Sinnlichkeit, von der ich glaube, dass sie mehr unterbewusst als absichtlich ist. Sie geht an dem Mann vorbei. Er fängt weiter Fliegen mit offenem Mund. Sie nimmt nicht einmal Notiz von ihm. Wie das eben so ist.
    War ich auch mal so?, überlege ich. Schön genug, um den männlichen IQ in den Keller rutschen zu lassen?
    Wahrscheinlich. Tja, die Zeiten ändern sich.
    Heute bekomme ich ebenfalls Blicke. Doch es sind keine Blicke mehr, die Begehren ausdrücken. Es sind Blicke, die von Neugier bis Abscheu reichen. Es fällt mir schwer, jemandem einen Vorwurf daraus zu machen. Sands hat ganze Arbeit geleistet, als er mir das Gesicht zerschnitten hat.
    Die rechte Seite ist makellos und unberührt. Das Grauen ist links. Die Narbe fängt mitten auf der Stirn an, am Haaransatz, zieht sich zwischen den Augenbrauen nach unten und dann in einem nahezu perfekten rechten Winkel nach links. Ich besitzekeine linke Augenbraue mehr; dort verläuft jetzt die Narbe. Die holprige Bahn setzt sich fort über meine Schläfe, dann in einer trägen Achterbahn über meine Wange. Von dort geht sie über meinen Nasenrücken zur Nasenwurzel, bevor sie wieder kehrtmacht, eine Diagonale über meinen linken Nasenflügel zeichnet und ein letztes Mal über meinen Kiefer hinunter bis zum Schlüsselbein läuft.
    Ich habe eine weitere Narbe, perfekt und gerade, die unter der Mitte meines linken Auges anfängt und bis zum Mundwinkel reicht. Sie ist neuer als die anderen. Der Mann, der Annie getötet hat, hatte mich gezwungen, mir diese Wunde selbst zuzufügen, mit einem Messer, während er mir geifernd und mit gierigen Blicken zuschaute. Es gefiel ihm offensichtlich, mich bluten zu sehen. Ich konnte die Erregung in seinen Augen lesen, ehe ich ihm kurze Zeit später das Hirn aus dem Schädel gepustet habe.
    Das alles sind nur die Narben, die jeder sehen kann. Unter dem Halsausschnitt meiner Bluse befinden sich noch mehr. Hervorgerufen von einer Messerklinge und dem kirschroten Ende einer brennenden Zigarre.
    Lange Zeit habe ich mich meines Gesichts geschämt. Ich habe die Haare auf der linken Seite lang getragen und zu verbergen versucht, was Joseph Sands mir angetan hat. Doch das Leben hat mein Herz wieder in den Griff bekommen, und inzwischen denke ich anders über diese Narben. Heute bürste ich mein Haar zurück und binde es zu einem Pferdeschwanz zusammen. Soll die Welt ruhig hinsehen.
    Der Rest von mir ist gar nicht mal so übel. Ich bin eher klein, sportliche Figur, habe »mundgerechte Titten«, wie Matt sie genannt hat, und eher einen Birnen- als Apfelhintern. Matt liebte meinen Hintern. Manchmal, wenn ich vor dem mannshohen Spiegel stand, fiel Matt hinter mir auf die Knie, packte mein Hinterteil und sah zu mir auf, um mit seiner besten Gollum-Stimme »Mein Schaaatz …« zu röcheln.
    Bonnie zupft an meinem Ärmel und reißt mich aus meinen müßigen Erinnerungen. Ich blicke zu der Stelle, die sie mir zeigt. »Möchtest du ins Claire’s?«, frage ich.
    Sie nickt.
    »Kein Problem, Zwerg.« Das Claire’s ist eines von
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