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Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)

Titel: Der Todeskünstler: Thriller (German Edition)
Autoren: Cody Mcfadyen
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weil sie meine Freundin war. Doch meist verdränge ich dieses Wissen, weil es eine Last ist, die ich nicht tragen kann, und weil es schrecklich ist und düster – ein Schatten so groß wie ein Wal. Würde ich diese Wahrheit zu oft sehen, würde sie mich kaputt machen.
    Einmal, ich war vielleicht sechs Jahre alt, war ich wütendauf meine Mutter. Warum, weiß ich nicht mehr, aber ich hatte damals ein Kätzchen, das ich »Mr. Mittens« getauft hatte. Es kam zu mir, weil es spürte, dass ich wütend war. Tiere spüren so etwas. Das Kätzchen kam aus bedingungsloser Liebe zu mir – und ich versetzte ihm einen Tritt.
    Es war nicht verletzt, nicht einmal vorübergehend. Doch von diesem Tag an war es kein Kätzchen mehr. Es zuckte jedes Mal zusammen, wenn ich es streicheln wollte. Ich habe bis zum heutigen Tag Schuldgefühle, wenn ich an Mr. Mittens denke. Es ist nicht bloß ein Stich des schlechten Gewissens, sondern ein scheußliches Gefühl, das einem die Seele verkrüppeln kann. Was ich dem Kätzchen angetan hatte, war aus reiner Bösartigkeit geschehen. Ich habe einem unschuldigen, zärtlichen Wesen Schmerz zugefügt. Ich habe nie jemandem erzählt, was ich Mr. Mittens angetan habe. Es ist ein Geheimnis, das ich mit ins Grab nehmen werde. Eine Sünde, für die ich lieber in der Hölle schmoren würde, als sie zu beichten.
    Der Gedanke an meine ermordete Freundin Annie erweckt in mir ein Gefühl, als hätte ich Mr. Mittens totgetreten. Deswegen fühle ich mich besser, wenn ich nicht daran denke, die meiste Zeit jedenfalls.
    Annie hat mir Bonnie zurückgelassen. Sie ist meine Buße. Aber es ist nicht fair, denn Bonnie ist ein Zauber, ein Wunder. Sie ist Licht, Heiterkeit und Freude. Buße aber sollte Leiden bedeuten.
    »Was hältst du davon, ein paar Stunden herumzuhängen und gar nichts zu tun? Und anschließend gehen wir Shoppen.«
    Bonnie überlegt kurz. Das ist eine ihrer Charaktereigenschaften. Sie antwortet selten spontan. Meist denkt sie zuerst nach und achtet darauf, dass sie die Wahrheit sagt, wenn sie antwortet. Ich weiß nicht, ob das eine Folgererscheinung ihrer unvorstellbar grauenhaften Erlebnisse ist, oder ob sie bereits mit diesem Tick geboren wurde.
    Sie lässt mich ihre Entscheidung mit einem Lächeln und einem Nicken wissen. Ja.
    »Cool. Möchtest du jetzt frühstücken?«
    Diesmal muss sie nicht überlegen. Ja! Die Zustimmung ist augenblicklich und begeistert.
    Ich mache mich in der Küche an die Arbeit, brate Schinken, Spiegeleier, mache Toast. Während wir essen, beschließe ich, mit Bonnie über die kommende Woche zu reden.
    »Ich habe dir schon erzählt, dass ich mir zwei Wochen frei genommen habe, nicht wahr?«
    Sie nickt.
    »Ich habe es aus verschiedenen Gründen getan, aus einem ganz besonders. Ich wollte mit dir darüber sprechen, weil … na ja, weil es eine gute Sache ist, aber es könnte ein bisschen hart werden. Für mich, weißt du.«
    Bonnie beugt sich vor, beobachtet mich geduldig mit fragendem Blick.
    Ich trinke einen Schluck Kaffee. »Weißt du, Bonnie, es ist Zeit, ein paar Dinge wegzutun … Matts Sachen, seine Badezimmersachen. Ein paar von Alexas Spielsachen. Nicht die Fotos oder so. Ich will nicht die Erinnerung auslöschen. Es ist nur …«, ich suche nach Worten, »… es ist nur so, dass sie nicht mehr hier wohnen.«
    Kurz und bündig. Ein einzelner Satz. Angefüllt mit all der Bedeutung und dem Wissen, der Angst und der Liebe, der Hoffnung und Verzweiflung der Welt. Ausgesprochen nach der Durchquerung einer Wüste aus Dunkelheit.
    Die gegenwärtige Inkarnation meines Jobs beim FBI nennt sich NCVAC-koordinatorin. Das NCVAC ist das Bundesamt für die Analyse von Gewaltverbrechen. Die Zentrale des NCVAC ist in Washington, D.C., doch in jedem FBI-Büro gibt es einen lokalen Repräsentanten des NCVAC. In ruhigeren Gegenden ist ein Agent für mehrere Gebiete verantwortlich. Doch wir in L.A. sind etwas Besonderes. In unserer Stadtlaufen die schlimmsten Psychopathen herum – noch dazu so viele, dass es eine Koordinatorin wie mich plus ein Team aus mehreren Agenten braucht.
    Ich bin tüchtig in meinem Job – keine falsche Bescheidenheit. Ich führe ein Team von drei Leuten, alle von mir persönlich handverlesen, alle versierte Profis in der Verbrechensbekämpfung. Ich könnte jetzt bescheiden sein, aber warum sollte ich? Die Psychos, die von meinem Team gejagt werden, können sich ebenso gut gleich erschießen.
    Vor einem Jahr haben wir einen Mann namens Joseph Sands gejagt. Ein
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