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Der Tod und der Dicke

Der Tod und der Dicke

Titel: Der Tod und der Dicke
Autoren: Reginald Hill
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Asylbewerberinnen zu fördern; nein, behaupteten die Linken, weil man der Staatskasse keinen größeren Anteil aus den Lottogeldern zugestehen wollte.
    Wie auch immer, die Pläne zum Abriss der Häuserzeile waren vorerst aufgeschoben.
    Die noch verbliebenen Anwohner waren längst umgesiedelt. Da sich die Stadtverwaltung nicht mit einem heruntergekommenen Slum herumschlagen wollte, wurden Kleinunternehmen auf der Suche nach einem neuen Geschäftssitz dazu ermutigt, sich hier niederzulassen, um damit zumindest den Anschein von bewohnter Geschäftigkeit aufrechtzuerhalten. Die meisten Firmen stellten sich als ebenso kurzlebig heraus wie die vorzeitig erblühende Primel, die einsam stirbt, so dass mittlerweile als einzige Crofts & Wills, Patentanwälte, in Hausnummer 6 und Oroc Video, Nummer 3, übrig geblieben waren.
    Dieser alles in allem interessante historische Abriss aber brachte Pascoe dem Verständnis ihres Treibens um keinen Deut näher.
    Und da er allmählich die Geduld verlor, sagte er: »Okay, da drin hält sich also vielleicht ein bewaffneter Täter auf. Ich nehme an, du hast dir eine Strategie zurechtgelegt. Oder willst du ganz allein über ihn herfallen?«
    »Jetzt nicht mehr, jetzt sind wir ja zu zweit. Aber du warst ja schon immer mehr für die subtilere Methode, also fangen wir damit mal an.«
    Mit diesen Worten erhob sich der Dicke, griff sich von der Motorhaube seines Wagens ein Megaphon, hielt es sich an die Lippen und bellte: »Gut, wir wissen, dass ihr da drin seid. Wir haben euch umstellt. Kommt mit erhobenen Händen raus, und keinem wird was passieren.« Er kratzte sich unter der Achsel, dann setzte er sich wieder hin.
    Nach einem Augenblick des Schweigens sagte Pascoe: »Ich kann einfach nicht glauben, was du da gesagt hast, Sir.«
    »Warum nicht? Das hab ich früher auch immer gesagt, bevor dieser ganze Verhandlungsscheiß in Mode gekommen ist.«
    »Ist jemals einer rausgekommen?«
    »Nicht, so weit ich mich erinnern kann.«
    Pascoe ließ sich das durch den Kopf gehen, dann sagte er:
    »Du hast vergessen, dass er die Waffe rauswerfen soll, bevor er mit erhobenen Händen heraustritt.«
    »Nein, hab ich nicht«, sagte Dalziel. »Vielleicht hat er gar keine Waffe, und wenn er keine hat, will ich nicht, dass er denkt, wir glauben, er hätte eine. Nicht wahr?«
    »Ich dachte, der Streifenbeamte hätte eine Waffe gesehen.
    Was war es? Ein Gewehr? Eine Handfeuerwaffe? Und was hat der vermeintliche Bewaffnete überhaupt getan? Komm schon, Andy. Ich hab auf einen Krug selbst gemachter Limonade und meine Hängematte verzichtet. Wo liegt das verdammte Problem?«
    Selbst diplomatische Zurückhaltung hatte ihre Grenzen.
    »Das verdammte Problem?«, sagte der Dicke. »Dort liegt das verdammte Problem.«
    Er wies mit dem Finger auf den Streifenwagen, der ein Stück weiter geparkt war. Pascoes Blick folgte dem Finger. Und alles wurde klar.
    Fast außer Sichtweite lag, um den Hinterreifen gewickelt, eine vertraute schlaksige Gestalt, die die latente Bedrohung einer Speckschwarte ausstrahlte.
    »Mein Gott. Du willst doch nicht sagen …?«
    »Genau. Der einzige Kontakt zu unserem bewaffneten Täter war bislang Constable Hector.«
     
    Police Constable Hector ist der Mühlstein am Hals der Mid- Yorkshire Constabulary, die langbeinige Fliege in der Suppe, die Wollemi Pine in ihrem Outback, der Quastenflosser in seinen Meerestiefen. Seine selig machende Tolpatschigkeit sorgt dafür, dass er nie ganz nach unten fällt. Unterhalb der tiefsten Tiefe gibt es stets etwas noch Tieferes, und er überlebt auf diese verschrobene Art und Weise, weil die Polizei in Mid- Yorkshire, die wie die wahren Briten ihren Triumph in der Katastrophe findet, mittlerweile stolz auf ihn ist. Wenn das Gespräch im Black Bull mal wie der stockt, muss nur jemand sagen: »Erinnert ihr euch noch, als Hector …«, und einige Stunden heiterer Erinnerungen sind garantiert.
    Als Dalziel daher sagte: »Dort liegt das verdammte Problem«, war damit einiges erklärt. Aber nicht alles. Bei weitem nicht alles.
     
    »So«, fuhr Dalziel fort, »die Frage lautet: Wie finden wir heraus, ob Hector wirklich eine Waffe gesehen hat?«
    »Na ja«, sinnierte Pascoe, »wir könnten ihn aufstehen lassen und warten, ob er erschossen wird.«
    »Brillant!«, sagte Dalziel. »Was bin ich froh, so viel in deine Ausbildung investiert zu haben. Hector!«
    »Um Gottes willen, das war nur Spaß!«, rief Pascoe aus, während sich die schlaksige Gestalt vom Reifen löste und
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