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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters
Autoren: Yasoushi Inoue
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wiedersehen, doch hat er nicht vielleicht ganz anders gefühlt? Ahnte er das Schicksal, das ihn so bald erwartete? In diesem Fall hätte mein Meister wirklich für immer von seinen beiden Freunden Abschied genommen.
    Ich weihte Herrn Tōyōbō in meine Gedanken ein, aber er teilte meine Ansicht nicht.
    »Nein«, sagte er. »Im Herzen war Rikyū überzeugt, daß er eines nicht allzu fernen Tages nach Kyōto zurückkehren würde. Er konnte gar nichts anderes denken. Sansais und Oribes Begleitung ließ keinen anderen Schluss zu als den, daß Hideyoshis Zorn bald verraucht sein und das Verbannungsurteil aufgehoben würde. Kein Zweifel möglich.Nicht nur das, vielleicht kannte Meister Rikyū sogar die Ursache für Hideyoshis Zorn und dessen Ausmaß. Eigentlich mußte er doch denken, daß Sansai und Oribe ihn auf den Befehl des Taikō an den Fluß geleiteten. Er hatte meinen Meister zwar nach Sakai verbannt, wünschte aber vielleicht doch, daß die beiden vermittelten. Das ist keineswegs auszuschließen. Man kann verschiedener Meinung darüber sein, und ich weiß nicht, was andere davon halten, aber ich bin überzeugt, Rikyū konnte seine Lage nicht einschätzen. Schließlich kam alles ganz anders: Meister Rikyū kehrte nicht nach Kyōto zurück, und seine Verbannung nach Sakai wurde zu einer Reise in den Tod. Warum, weiß ich nicht, aber der Grund für diese Wendung muß sich erst später ergeben haben. Nachdem Rikyū nach Sakai gezogen war. Gewiß war er nicht einmal allzu beunruhigt, als er seine Reise antrat, da ja seine beiden adligen Freunde ihn begleiteten.«
    Während ich Herrn Tōyōbō zuhörte, sah ich die ganze Zeit Meister Rikyūs Gesicht vor mir. Ganz sicher ahnte er das schwere Schicksal, das ihn zwanzig Tage später ereilen sollte. Von Herrn Tōyōbō s Schilderung ging etwas unbeschreiblich Düsteres aus, das meine Gewißheit nur verstärkte. Auf der einen Seite war Hideyoshi, der Herr über Leben und Tod. Auf der anderen Sansai und Oribe, die Meister Rikyū mit oder ohne seinen Befehl zur Anlegestelle am Yodo begleiteten und an seine Rückkehr nach Kyōto glaubten. Und mein Meister, der aufrecht im Boot saß, um in die Verbannung nach Sakai zu gehen. Wie Sansai und Oribe die Angelegenheit einschätzten, hing allein von Hideyoshi ab. Und was in ihm vorging, wußte niemand. Bei jedem Schlag seines Herzenskonnte sich sein Wille ändern. Wie unsicher doch die Lage meines Meisters gewesen war.
    Ich behielt diese Gedanken für mich, um Herrn Tōyōbō nicht zu widersprechen, aber ich zweifelte nicht daran, daß mein Meister zu dem Zeitpunkt, als er schweigend im Boot saß, sein tödliches Schicksal voraussah. Die Frage, ob mein Meister an diesem Tag nicht sein Leben für den Tee in die Waagschale geworfen hatte, drängte sich mir auf. Ich weiß nicht, ob ich recht habe, aber ich, der ich Meister Rikyū zu seinen Lebzeiten gedient habe und ihm auch heute noch jeden Tag zu Diensten bin, finde Gewißheit, indem ich mir die eigentümliche Szene am Ufer des Yodo vor sechs Jahren immer wieder vor Augen führe.
    Dennoch bekannte ich Herrn Tōyōbō nicht, daß ich das Gesicht meines aufrecht im Boot sitzenden Meisters nicht zum ersten Mal sah, sondern immer und immer wieder. Im neunten Monat des Jahres Tenshō sechzehn 4 hatte im viereinhalb Tatami großen Teeraum von Hideyoshis Villa Juraku eine Gesellschaft stattgefunden, zu der Haruya, ein Geistlicher aus dem Daitokuji, als Ehrengast geladen war. Genau gesagt, sie fand am Morgen des vierten Tages im neunten Monat statt. Außer dem Oshō Haruya waren noch Kōkei und Gyokuho eingeladen, die – unnötig es zu erwähnen – hochgelehrten Hüter des ewigen Lichts im Daitokuji.
    Es handelte sich damals um eine Abschiedszeremonie für Ehrwürden Kōkei, der nach Kyūshū in die Verbannung geschickt wurde. Zu wissen, warum der geistliche Herr den Zorn Hideyoshis auf sich gezogen hatte, kam einer unbedeutenden Person wie mir nicht zu, aber Gerüchtenzufolge hatte er sich wegen der Errichtung des Tenshō-Tempels mit Hideyoshis Günstling Ishida Mitsunari überworfen. Da es eine Abschiedsfeier für einen Verbannten war, spielte sich alles heimlich und hinter verschlossenen Türen ab, um jedes Aufsehen zu vermeiden. Wahrscheinlich war Tōyōbō gar nichts davon zu Ohren gekommen. Der viereinhalb Tatami große Teeraum wies nach Osten. Es gab ein niedrig angebrachtes Fenster nach Norden und zwei unterschiedlich große Fenster über der östlichen Seitentür. Durch eines der
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