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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters
Autoren: Yasoushi Inoue
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noch lebte, hat mein Meister einmal zu mir gesagt, am Ende des Teewegs harre ein einsames kaltes Schicksal. Doch der Weg, den ich gesehen habe, war nicht nur einsam und kalt, er war dunkel, trostlos und hart. Wenn ich einmal anfange, über diese Dinge nachzugrübeln, vergesse ich die Zeit und kann kaum einen anderen Gedanken mehr fassen. Dennoch will ich hier die Überlegungen zu meinem Traum unterbrechen.
    »Ist Ehrwürden Kōkei vom Daitokuji vor oder nach dem Jahreswechsel gestorben?« fragte mich Herr Tōyōbō.
    »Es war um die Mitte des ersten Monats«, antwortete ich.
    »In letzter Zeit hat sich mein Gedächtnis sehr verschlechtert. Ich vergesse die wesentlichsten Dinge«, klagte HerrTōyōbō. »Oshō Kōkei hat Meister Rikyū um sechs Jahre überlebt. Mit seinem Tod geht eine Epoche zu Ende. Eine Epoche, die von beiden geprägt wurde!«
    »Fürwahr, das Ende einer Epoche ist erreicht!« wiederholte der alte Herr aufrichtig bewegt.
    Selbst ein unbedeutender Mönch wie ich vermag diese Empfindung zu teilen. Oshō Kōkei war ein wahrhaft großer Mann.
    »Die kriegerischen Zeiten sind vorbei und damit auch ihre Teekultur!« fuhr Herr Tōyōbō erregt fort.
    »Eine Teekultur des Krieges?« fragte ich.
    »So ist es doch! Ein Mann betrat den Teeraum, trank Tee und zog in den Krieg, um auf dem Schlachtfeld zu sterben. Diese Zeiten sind vorüber. Und kehren nie zurück. An Meister Rikyūs Stelle ist Furuta Oribe getreten. Seine Zeit wird kommen. Oder vielleicht ist sie schon da. Die Teezeremonie ändert sich. Gern würde ich die karge Strenge des Wabicha erhalten, aber das wird nicht gehen.«
    »Aber Ihr seid doch noch hier, Meister Tōyōbō!«
    »Habt Dank für Eure Worte, doch leider bleibt mir nicht mehr viel Zeit. Ich bin ein alter Mann. Rikyūs Teekunst übertraf alles. Er besaß etwas, das kein anderer Teemensch sein eigen nennt. Er war ein Mann von unvergleichlicher Größe und hat sein Leben für die Teezeremonie geopfert. Es gibt viele namhafte Teemeister, doch keiner von ihnen kann sich mit Rikyū messen. Er war leidenschaftlich. Mithin konnte er sein Leben auch nicht auf natürliche Weise beschließen. Es wird viel darüber geredet, warum er sich das Leben nehmen mußte, aber letztendlich hat er den Tod selbst herausgefordert.«
    Zustimmung heischend wandte er sich mir zu. Ich schwieg.
    »Stimmt doch, oder nicht? Sein Temperament lud Schwierigkeiten geradezu ein. Vergangenes Jahr ging das Gerücht, er habe aus Gewinnsucht Teegerät zu überhöhtem Preis verkauft und sich deshalb töten müssen. Vielleicht hat er das getan, aber bestimmt nicht aus Habgier. Doch wie soll man diesen Banausen sonst den Wert dieser Gegenstände klarmachen? Einen hohen Preis zu verlangen, ist der einfachste Weg. Meister Rikyū wählte seine Gerätschaften stets aus seiner näheren Umgebung aus. Es waren ausnahmslos Zufallsfunde von großer Schönheit. Man merkte es sogleich, wenn man sie in der Zeremonie verwendete. Er war ein einmaliger Kenner. Die von ihm ausgewählten Stücke konnten sich durchaus mit berühmten chinesischen Kunstwerken messen, und um dies zu vermitteln, gab er ihnen einen hohen Preis. Auf diese Weise gelangten die Teeschalen von Chōjirō zu höchstem Ansehen. Ein weiteres Gerücht besagt, er sei das Opfer von Verleumdungen geworden. Auch das ist möglich. Verleumdet wird viel. Kleine Leute setzen mit Vorliebe Gerüchte in die Welt, die am Ende schwer zu entkräften sind. Ein Mann von untadeligem Charakter wie Meister Rikyū hat viele Feinde. Und dann war da doch noch so eine Geschichte. Worum ging es da gleich?«
    »Um die Statue im Sanmon des Daitokuji.«
    »Ach ja, ganz recht. Da gab es jede Menge Gerede, aber Meister Rikyū hat sicher nichts davon gewußt. Oshō
    Kōkei wahrscheinlich auch nicht. Irgendein Einfallspinsel von einem Mönch aus dem Daitokuji muß diese Idee gehabt haben. Weder Meister Rikyū noch Ehrwürden Kōkei wäre jemals auf eine solche Torheit verfallen. Dessen bin ich mir ganz sicher. Unvorstellbar, daß Rikyū eine Statue von sich, stehend, sitzend oder sonst etwas, im Tempeltorerrichtet haben soll! Ausgerechnet er, der ganz dem Wabisuki-jōjū, der schlichten, reinen Strenge der Teezeremonie, verpflichtet war. Nie und nimmer! Lassen wir das. In letzter Zeit gerate ich leicht in Rage. Dann übermannt mich der Zorn, aber ich darf mich nicht hinreißen lassen, sonst falle ich womöglich noch tot um.« In der Tat erregte sein Ausbruch meine Besorgnis. Dennoch verspürte ich eine
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