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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters
Autoren: Yasoushi Inoue
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Stadt einen derart unirdischen Anschein erweckte. In diesem Augenblick blieb Meister Rikyū stehen und wandte sich langsam zu mir um, wie um sich zu vergewissern, daß ich ihm noch folgte. Kurze Zeit später tat er es wieder. Diesmal indes sah er mich mit einem durchdringenden Blick an, dem ich die Aufforderung zum Umkehren entnahm. Ich beschloß, ihmzu gehorchen, und verbeugte mich zum Abschied tief in seine Richtung.
    An dieser Stelle erwachte ich. Ich erhob mich von meinem Lager und kniete mit gesenktem Kopf nieder. Lange verharrte ich in dieser ehrerbietigen Haltung, um von meinem Meister, wie ich ihn im Traum gesehen hatte, Abschied zu nehmen.
    Furcht empfand ich übrigens erst nach dem Aufwachen. Es war nicht so sehr die Furcht darüber, womöglich auf dem Weg ins Jenseits gewandelt zu sein, als vielmehr der Umstand, daß dieser öde Weg mitnichten in die andere Welt, sondern nach Kyōto in Hideyoshis Residenz geführt hatte. Als ich darüber nachdachte, wieso ich dies nicht sofort bemerkt hatte, überlief es mich kalt. Dies war wahrhaftig kein gewöhnlicher Weg gewesen, den meinesgleichen so mir nichts dir nichts beschreiten durfte.
    Doch Träume wie dieser waren nicht der einzige Grund für meinen Rückzug. Es erschien mir geziemend, die Welt des Tees zu verlassen, der mein Meister seinen Stempel aufgedrückt hat. Es ist vielleicht seltsam, aber es wäre mir unangenehm gewesen, den noch lebenden Meistern zu begegnen. Lieber wollte ich sie nicht sehen, und bislang habe ich keinen von ihnen aufgesucht. Im Januar ist Ehrwürden Kōkei aus dem Daitokuji, dem Tempel der Hohen Tugend, von uns gegangen. Er war der Zenlehrer meines Meisters und hat dessen posthumen Namen ausgewählt. Die beiden verband eine innige Freundschaft, die sich in den letzten Jahren auch auf mich ausgedehnt hatte. So hätte es mir wohl angestanden, auf die Nachricht von Herrn Kōkeis Tod zum Daitokuji zu eilen, um bei den Bestattungsfeierlichkeiten zu helfen. Um jedocheine Begegnung mit den Menschen zu vermeiden, die meinem Meister nahegestanden hatten, hielt ich mich fern, gleichwohl es mir in der Seele wehtat. Herrn Kōkeis Ableben war nicht die einzige Gelegenheit, bei der ich meine Pflichten gegenüber den Freunden Meister Rikyūs vernachlässigte. Auch andere Todesfälle oder Todestage ließ ich unbeachtet.
    Nach all diesen Jahren sah ich mich heute also unverhofft Herrn Tōyōbō gegenüber, und unsere Begegnung erfüllte mich mit unbeschreiblicher Sehnsucht.
    Wir schreiben das zweite Jahr Keichō 3 . Bereits sechs Jahre sind seit dem Tod meines Meisters verstrichen. Zwar habe ich der Welt des Tees entsagt, die so sehr von Meister Rikyū geprägt ist, doch von ihm selbst habe ich mich nicht entfernt. Ich finde sogar, daß ich ihm näher bin, seit ich mich in diese Einsiedelei zurückgezogen habe. Mehrmals am Tag höre ich seine Stimme und spreche mit ihm. Ich sehe ihn vor mir, wie er großzügig und ungezwungen den Tee bereitet, und bisweilen höre ich seine Stimme: »Tee ist die Verbindung von Feuer und Wasser. Unverzeihlich ist es, den rechten Augenblick bei Feuer und Wasser zu versäumen.« Ich stelle ihm viele Fragen, und auf jede gibt er mir sogleich eine Antwort.
    Nur auf die eine nicht: Wohin führte der unirdische Weg, auf dem ich ihm in meinem Traum gefolgt bin? Schweigen schlägt mir entgegen. Auch als Meister Rikyū noch lebte, kam es vor, daß er zu mir sagte: »Darüber mußt du selbst nachdenken. So etwas kann man andere nicht fragen.« Gewisse Fragen stießen bei ihm auf taube Ohren, und er weigerte sich, ein weiteres Wort über sie zu verlieren. Vielleicht gehört dieser lange trostlose Weg inmeinem Traum auch zu den Dingen, über die ich selbst nachdenken muß.
    In den letzten sechs Jahren hält dieser Weg, den ich im Traum mit meinem Meister gegangen bin, mein Herz gefangen. Was könnte die kalte, karge Ödnis bedeuten, in die einer wie ich nicht vordringen kann und aus der ich mich auf Geheiß meines Meisters gehorsam zurückgezogen habe?
    Sind außer meinem Meister noch andere diesen Weg gegangen? Es war kein angenehmer Weg, dennoch schritt mein Meister gleichmütig und in ruhiger Harmonie mit der trostlosen, kargen Landschaft dahin. Vielleicht ziemt es sich nicht für mich, das zu sagen, aber der Weg, den Herr Tōyōbō eingeschlagen hat, scheint mir ein ganz anderer zu sein. Diesen unirdischen Weg hat er gewiß nicht genommen. Aber Meister Rikyū hat es getan. Warum hat allein er diesen Weg beschritten?
    Als er
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