Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters
Autoren: Yasoushi Inoue
Vom Netzwerk:
nennen zu dürfen. Ich hatte nicht allzu häufigdie Gelegenheit gehabt, bedeutenden Zeremonien beizuwohnen. Doch in meiner Eigenschaft als Meister Rikyūs Teegehilfe und durch meine Nähe zu ihm geruhten einige der vornehmen Herren, mich vertraulich mit Bruder Honkaku oder Honkakubō vom Mii-dera anzusprechen und mich bisweilen zu Teegesellschaften einzuladen.
    Ungeachtet meiner unbedeutenden Stellung erwies Meister Rikyū mir kurz vor seinem Tod die Ehre, mich als einzigen Gast zu einer Teezeremonie zu laden, an die ich mich bis an mein Lebensende erinnern werde. Sooft ich daran zurückdenke, erfaßt mich wieder die gleiche körperliche und geistige Anspannung, die mich damals beherrschte.
    Dieses Ereignis fand im Jahre Tenshō achtzehn 2 , am Dreiundzwanzigsten des neunten Monats statt, ungefähr ein halbes Jahr vor dem Tod meines Meisters. Wir trafen uns im viereinhalb Tatami großen Teeraum der Villa Juraku, der Residenz des Taikō Hideyoshi.
    Das Arrangement: eine alte Bizen-Vase mit herbstlichen Wildblumen, eine bauchige Teedose im chinesischen Stil, eine graue Mishima-Teeschale mit weißem Muster, ein viereckiger Eisenkessel und ein asymmetrisches Frischwassergefäß.
    Unser Mahl bestand aus Reis, Suppe und Schwarzwurzelgemüse.
    Als Süßigkeit gab es kleine Waffeln aus Weizen und geröstete Maronen.
    Aus heutiger Sicht weiß ich, daß diese Zeremonie nichts anderes war als eine Abschiedsfeier, die mein Meister in seiner Güte für mich veranstaltete. Reglos und ohne einWort zu wechseln, saßen wir beieinander, während ich den Tee trank, den er für mich bereitete.
    Es wäre allzu vermessen, mich einen Kenner des Teewegs zu nennen, aber wenn man sich unter Teemenschen bewegt, nimmt man doch die eine oder andere ihrer Gewohnheiten an. Wie Meister Tōyōbō sagte, habe ich nichts erreicht. Vielleicht hätte ich mich nach Meister Rikyūs Tod nützlich machen können, wenn ich mich an seine Schüler gewandt hätte. Einige haben mir sogar dazu geraten. Dennoch habe ich alle wohlmeinenden Angebote ausgeschlagen, das Haus meines Meisters verlassen und mehr oder weniger alle Verbindungen gelöst, um mich in diese Klause zurückzuziehen. Mein Lebensunterhalt kümmert mich wenig, aber gewisse Kaufleute aus Kyōto, mit denen ich noch von früher auf vertrautem Fuß stehe, bitten mich häufig, Gerätschaften zu begutachten und sie bei ihrem An- und Verkauf zu beraten. Auf diese Weise konnte ich bisher meinen Lebensunterhalt bestreiten, ohne Mangel zu leiden.
    In meiner Klause verfüge ich über einen winzigen Raum von nur anderthalb Tatami, der kaum als Teezimmer zu bezeichnen, doch gerade groß genug für mich allein ist. Auch jetzt sitze ich seit dem frühen Abend hier und lasse meine Gedanken hierhin und dorthin schweifen. »Ihr seid noch jung, warum habt Ihr Euch so zurückgezogen?« höre ich den alten Herrn Tōyōbō sagen. Wie gern hätte ich ihm sogleich geantwortet, aber ich konnte es nicht. Selbst wenn ich jetzt noch einmal Gelegenheit dazu hätte, müßte ich ihm die Antwort schuldig bleiben. Am besten wäre es vielleicht, sich zunächst den Vorgängen in meinem Inneren zu nähern, ohne sich dabei um mögliche Antworten zu scheren.
    Vierundzwanzig Tage nach dem Hinscheiden Meister Rikyūs hatte ich gegen Morgen einen Traum, in dem ich mich auf dem Heimweg in mein Dorf in der Provinz Ōmi befand.
    Ich wanderte auf einem kalten, öden, mit Kieseln bedeckten Weg dahin, der sich bis in unendliche Ferne vor mir erstreckte. Keine Menschenseele war zu sehen, kein Baum und kein Strauch am Wegrand, nicht einmal Gräser. Ich war aus dem Myōkian in Yamazaki aufgebrochen und hatte das Gefühl schon ewig unterwegs zu sein.
    Allmählich fragte ich mich, ob dies nicht der Pfad ins Jenseits sein könnte, denn warum sonst sollte er sich so traurig und einsam dahinziehen, daß mir fast die Seele gefror. Es herrschte ein unbestimmtes dämmriges Licht, das weder Tag noch Nacht war.
    Mit einem Mal bemerkte ich ein gutes Stück Weges vor mir eine Gestalt, die ich als Meister Rikyū erkannte. Aha, dachte ich, ich begleite also den Meister auf diesem einsamen Pfad in die andere Welt.
    Was mir würdig und angemessen erschien. Alsbald jedoch wurde mir klar, daß dieser Weg nicht ins Jenseits, sondern nach Kyōto führte. Natürlich, ich begleitete den Meister in die Residenz von Taikō Hideyoshi. Und dieser einsame öde Kiesweg würde binnen kurzem in die Hauptstadt einmünden. Allerdings war es mir ein Rätsel, warum ein Weg in die
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher