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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters
Autoren: Yasoushi Inoue
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hatte Meister Rikyūs Stil vortrefflich beschrieben.
    »Herausragende Meister haben eine Neigung, Unheil anzuziehen.«
    Hier unterbrach ich ihn, um zu widersprechen.
    »Aber mein Meister hat sich nur der höflichsten Sprache bedient und Ehrerbietung walten lassen, wo sie geboten war. Ich glaube nicht, daß er sich in dieser Hinsicht auch nur das Geringste zuschulden kommen ließ.«
    »Natürlich nicht. Sein Benehmen war untadelig. Jedem Samurai noch so niederen Ranges erwies er die einem Adelsherrn gebührende Hochachtung. Und um wie vieles mehr dem Taikō Hideyoshi! Nie hat er seinen Schülern nur eine Schale Tee angeboten, ohne sie zuvor Hideyoshi zu weihen. Nie eine einzige Brise oder eine einzige Schale Tee verwendet, ohne ihm dafür zu danken«, fiel Herr Tōyōbō ein.
    Er überlegte einen Moment.
    »Und dennoch fiel er in Ungnade!« fuhr er fort. »Oder nein, sollte man nicht vielmehr sagen, gerade deshalb?« Das Gespräch wendete sich nun ganz natürlich, ohne daß einer von uns beiden es angesprochen hätte, jener Frage zu, die niemand zu beantworten wußte. Herr Tōyōbō und ich wären gern durch das Dickicht der Gerüchte tiefer zu den Gründen des Unheils vorgedrungen, dessen schwarzer Strudel Meister Rikyū mit sich gerissen hat. »Habt Ihr vielleicht eine Ahnung, was es gewesen sein könnte?« fragte Herr Tōyōbō mich.
    »Nein, nicht die geringste«, erwiderte ich. »Doch im nachhinein will mir scheinen, daß sich der Meister einige Tage vor seinem Tod ungewöhnlich verhielt. Er eilte zu Ehrwürden Kōkei in den Daitokuji, und als er zurückkam, verfaßte er – wiederum in für ihn ungewöhnlicher Hast – ein Schriftstück an diesen. Auch erinnere ich mich, daß er mehrmals an Hosokawa Sansai schrieb. Sollte dieses Verhalten im Zusammenhang mit seinem Tod stehen,wäre es doch sehr wohl möglich, daß die Herren Kōkei und Hosokawa über Umstände und Hergang der Ereignisse auf dem laufenden waren? Was natürlich nur eine Vermutung von mir ist.«
    »Oshō Kōkei ist inzwischen verstorben. Und Hosokawa Sansai, der alte Sturkopf, läßt doch, was Meister Rikyū angeht, nicht eine Silbe verlauten. Wenn noch jemand etwas über die näheren Umstände weiß, dann vielleicht Furuta Oribe.«
    Er hielt nachdenklich inne.
    »Ich habe zwar keine Ahnung, was vorging«, sagte er dann, »aber eins weiß ich: Rikyū ist, nachdem das Verbannungsurteil über ihn verhängt war, unverzüglich nach Sakai aufgebrochen. Zumindest zu diesem Zeitpunkt muß er noch gedacht haben, Hideyoshis Zorn würde sich legen, während er sich in der Verbannung aufhielt, und er könne in Kürze wieder in die Hauptstadt zurückkehren. Neulich hörte ich, daß Sansai und Oribe Meister Rikyū bis an die Fähre am Yodo begleiteten. Die Leute, die mir das erzählten, lobten den Mut der beiden. Zu recht. Wer sonst hätte sich das erlauben können? Ich vermute jedoch, daß sie ihn begleiteten, weil auch sie an seine baldige Rückkehr glaubten. Sie hätten sich doch nie einem Mann angeschlossen, der in den Tod ging, weil er den Zorn Hideyoshis erregt hatte. Meint Ihr nicht? Das hätte niemand auf der Welt gewagt. Daher vermute ich, daß Meister Rikyūs Tod damals noch nicht beschlossen war. Die Entscheidung darüber muß erst nach seiner Abreise nach Sakai gefallen sein.«
    Wie sehr beneidete ich diese beiden Männer, denen es vergönnt gewesen war, meinen Meister an diesem schweren Tag bis an den Yodo zu begleiten. Wäre mir das dochauch möglich gewesen! Gewiß war alles so, wie Herr Tōyōbō sagte: Die beiden Männer hatten Meister Rikyū begleitet, weil sie mit seiner baldigen Rückkehr rechneten. Obgleich sie meinem Meister Mut für seine Reise nach Sakai zusprachen, waren sie gewiß zutiefst bekümmert. Welche Freude muß mein Meister über ihre Ermutigungen empfunden haben! Ganz gleich, was Sansai und Oribe damals wußten oder fühlten, im nachhinein betrachtet, taten sie nichts anderes, als Meister Rikyū das letzte Geleit zu geben.
    Während Herr Tōyōbō schwieg, sah ich meinen Meister auf seinem Weg in die Verbannung im Boot sitzen. Obwohl ich nicht dabei war, konnte ich mir die Szene genau vorstellen. Ich weiß nicht, wie die Herren Sansai und Oribe sich von ihm verabschiedeten, sah jedoch ganz deutlich vor mir, wie mein Meister zu ihnen hinüberblickte, derweil sein Boot sich allmählich vom Ufer entfernte. Was mag er in diesem Augenblick empfunden haben? Die beiden vornehmen Samurai glaubten sicher, sie würden ihn bald
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