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Der Tod des Teemeisters

Der Tod des Teemeisters

Titel: Der Tod des Teemeisters
Autoren: Yasoushi Inoue
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gekommen waren. Selbst als bei der Belagerung von Odawara die Niederlage des Hōjō-Clans bereits besiegelt war, soll er bis zuletzt auf dessen Seite gekämpft haben. Nach der Übergabe der Burg wurde er vor Taikō Hideyoshi gebracht und angeklagt, den Fall seines Fürsten herbeigeführt zu haben. Herr Kōsetsusai soll erwidert haben, die Niederlage sei ein schicksalsgewolltes Unglück gewesen, das seinen Herrn heimgesucht habe, und ein einfacher Gefolgsmann wie er hätte sie nicht verhindern können. Trotz seines Scheiterns sei er als Samurai stolz darauf, für die gerechte Sache der Hōjō ins Feld gezogen zu sein. Mehr habe er dazu nicht zu sagen. Im übrigen hoffe er nunmehr, schnellstmöglich enthauptet zu werden. Die letzte Äußerung soll den Taikō so beeindruckt haben, daß er Okano Kōsetsusai begnadigte. Nach Odawara war diese Geschichte in aller Munde, und Herr Kōsetsusai genoß den Ruf eines vortrefflichen Kriegsmannes.
    Abgesehen davon wußte ich nichts über Okano Kōsetsusai, aber als der Inhaber des Daitokuya vor etwa zwanzig Tagen von dem heutigen Besuch sprach, erzählte er mir noch ein wenig von ihm. So erfuhr ich, daß dieser, als er noch Vasall der Hōjō war, den Namen Itabeoka Yūsei geführt hatte. Sooft die Herrscher von Kantō Gesandte nach Odawara schickten, soll er als oberster Unterhändler fungiert haben. Als er nach der Niederlage der Hōjō in den Dienst Hideyoshis getreten sei, habe er auf dessen Befehl den Namen Okano Kōsetsusai angenommen. Nach Hideyoshis Tod wurde er Gefolgsmann von Tokugawa Ieyasu und beriet diesen erfolgreich in der Schlacht bei Sekigahara. Anschließend stieg er als Ieyasus Vertrauter auf und erhielt ein Lehen in Fushimi.
    »Warum sollte ein großer Herr wie er einen unbedeutenden Mönch wie mich aufsuchen?« fragte ich den Inhaber des Daitokuya.
    »Diese Frage habe ich ihm auch gestellt, aber er sagte, er habe nur eine persönliche Bitte. Sonst hat er nichts geäußert. Ich vermute, es geht um einen Kunstgegenstand.« »Aber eine so hochgestellte Persönlichkeit wie er müßte sich doch nicht eigens zu mir bemühen. Ich wäre doch zu ihm gekommen.«
    »Das sagte ich ihm auch. Und daß ich Euch zu ihm nach Fushimi begleiten könne, aber er lehnte ab und bestand darauf, Euch allein sprechen zu wollen. Und da er es einmal so beschlossen hatte, konnte ich es ihm nicht ausreden.«
    Daher hielt ich mich also heute bereit, Herrn Kōsetsusai zu empfangen.
    Er traf um die Stunde des Widders 8 ein. Als ich ihn ohneGefolge den kleinen Pfad hinaufsteigen sah, eilte ich ihm sogleich bis zum Ginkgobaum entgegen. Mein Garten ist eigentlich kaum mehr als ein leeres Feld, wie es alle Bauernhäuser in der Nachbarschaft haben.
    »Bruder Honkaku?« sprach er mich freimütig an.
    Vor mir stand ein Mann Mitte sechzig mit rasiertem Schädel und in einer Mönchskutte, aber seine breiten Schultern, die athletische Statur und seine kräftige Stimme paßten genau zu seinem Auftritt nach der Niederlage von Odawara. Sein Blick fiel auf die Veranda, die zum Garten wies.
    »Laßt uns eine Weile hier draußen sitzen. Die Sonne ist so angenehm«, sagte Herr Kōsetsusai.
    »Möchtet Ihr vielleicht zuerst Tee nehmen und dann reden? Wenn Ihr mit meiner ärmlichen Klause vorliebnehmen wollt, tretet ein«, sagte ich.
    »Seid bedankt, also gehen wir hinein«, sagte er und folgte mir.
    Wir durchquerten den Vorraum mit dem gestampften Lehmboden und das größere Mittelzimmer bis in mein kleines hinteres Teezimmer. Es hat keine Schmucknische, dementsprechend gab es weder Blumen noch eine Bildrolle.
    »Es ist so bescheiden hier, daß ich noch nie jemanden empfangen habe.«
    »Schon gut«, sagte er. »Dieser schlichte Raum birgt den wahren Geist des Wabi, und es ist mir eine Ehre, der erste Gast darin zu sein.«
    Von diesem Augenblick an wurde es mir leichter ums Herz. Herr Kōsetsusai war in keinster Weise hochmütig, sondern ein vollkommener Gast.
    »Es ist dreißig Jahre her, daß ich aus einer Schale von Chōjirō Tee getrunken habe. Yamanoue Sōji hat ihn damals für mich bereitet«, sagte er nach dem Tee.
    Voll Verwunderung hörte ich diesen Namen.
    »Ihr kanntet Yamanoue Sōji?«
    »In Odawara habe ich mich etwa zwei Jahre mit der Teekunst beschäftigt. Yamanoue Sōji war mein Lehrer. Übrigens bin ich heute gekommen, um Euch etwas zu zeigen, das Meister Sōji geschrieben hat. Nun, da wir mit dem Tee fertig sind, will ich zum Grund meines Besuches kommen.«
    Herr Kōsetsusai knotete das Bündel
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