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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen
Autoren: Svende Merian
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fundierte Einschätzung des historischen Faschismus und der heute wieder schärfer werdenden Repression erarbeiten. Deshalb sitze ich hier in der Antifa-Gruppe. Aber sowie ich mit Männern in einer Arbeitsgruppe bin, zwingen die mir ihre «Ar-beits»weise auf. Ich habe gar keine Zeit mehr, meine eigene Arbeitsweise zu entwickeln, wenn die sofort anfangen loszureden, Hauptsache, die reden. Ob da eine gemeinsame Diskussion draus wird, von der alle was haben, scheint ihnen nicht so wichtig. Wenn ich dann mit Frauen am gleichen Thema arbeite, traue ich mich viel mehr zuzugeben, was ich alles nicht verstehe, keinen Ansatzpunkt weiß usw. Dann fängt die Diskussion meistens mit dem Backen viel «kleinerer» Brötchen an, aber im Endeffekt kommt da mehr bei raus, weil ich mir nur so was erarbeiten kann, was wirklich auf festem Boden gebaut ist.
    Mit Frauen geht so was immer besser. Deshalb macht es mir auch keine Schwierigkeiten, Frauen kennenzulernen. Aber ich weiß halt nicht, wie ich Männer kennenlernen soll. Ich sage, daß ich es in Kneipen und auf Feten Scheiße finde. Und daß ich auch nicht weiß, wie ich mich verhalten soll... und so... früher war alles einfacher...
    «Da hat man sie einfach angemacht», sagt er.
    Ich nicke. Er hat mich verstanden. Hat verstanden, daß ich nicht mehr auf Aufreiße oder weibliches Rollenverhalten machen will und keine Alternativen weiß.
    Die beste Alternative ist natürlich, sich in den alltäglichen Lebenszusammenhängen kennenzulernen. Aber genau da ist es mir eben zu aufreibend, mich ewig mit Männern auseinandersetzen zu müssen. Weil ich da auf sie angewiesen bin. Ich will wenigstens im Studium und in der politischen Arbeit meine Ruhe vor ihnen haben. Weil ich da nicht im Notfall sagen kann: Scheißmacker, wenn du dich so chauvinistisch verhältst, pfeif ich auf dich. Weil ich mich dann eventuell mit faulen Kompromissen zufriedengeben muß, damit die Arbeit nicht gefährdet ist. Mit Frauen ist alles einfacher.
    Aber, daß er sagt «da hat man sie einfach angemacht», zeigt doch, daß er durchschaut, daß ich doch Hintergedanken habe. Auch wenn in meiner Anzeige steht, daß ich Männer kennenlernen will und nicht ’ne Zweierbeziehung suche. Daß die Hintergedanken sich vielleicht auch auf ihn beziehen könnten. Wie peinlich! Ich kann doch keine Beziehungen mehr anfangen. Weil ich es früher zu gut konnte. Weil ich früher irgendwie ’ne Masche drauf hatte, wie ich mit jedem Typen noch am selben Abend ins Bett steigen konnte. Irgendwie konnte ich damals flirten.
    Und dann hab ich geschnallt, daß die Rumbumserei mir absolut nichts bringt und daß Emanzipation wohl doch was anderes sein muß, als am selben Abend mit drei Typen nacheinander zu bumsen. Daß doch nur die Typen mich benutzen und nicht umgekehrt. Und daß ich mich als Sexualobjekt anbiete.
    Und dann wollte ich dieses weibliche Flirten verlernen. Radikal verlernen. Mich nie mehr anbieten. Alles verlernen, was ich in der Zeit gemacht habe, als ich jeden Abend mit ’nem anderen Typen im Bett lag. Damit es mir nie wieder passieren kann.
    Und ich habe es verlernt. Sehr gut verlernt. Alles verdrängt. Wenn ich versuche, mich zu erinnern, wie ich es eigentlich gemacht habe... welche Masche ich drauf hatte... fällt mir nichts mehr ein. Radikal verdrängt. Ich weiß nur noch, daß es ekelhaft gewesen sein muß.
    Aber was soll ich denn machen, wenn ich jemannden wirklich gern mag und was von dem will? Früher ging das irgendwie. Da hatte ich keine Schwierigkeiten... emanzipierte aktive Frau... selber die Initiative zu ergreifen. Da konnte ich «ihm» den ersten Kuß geben.
    Heute geht das nicht mehr. Ich weiß gar nicht mehr, wie das geht. Ich wollte verlernen. Und ich habe verlernt. Zu gründlich verlernt. Wieso können andere Frauen flirten?
    Und die Typen! Was nützt es mir, weibliches Rollenverhalten abbauen zu wollen, wenn die Typen weiterhin auf Arschwackeln und Augenaufschlag reagieren. Und nicht darauf, wenn ich ihnen ganz vorsichtig zeigen will, daß ich sie gern mag.
    Was ist denn die Alternative? Wie kann ich als Frau aktiv werden, ohne mich «anzubieten». Typen bieten sich doch auch nicht an, wenn sie den Anfang machen. Typen «nehmen». Nehmen sich die Frauen, die sie wollen. Und wenn sie wirklich mal ’nen Korb kriegen, dann schmettert das ihr männliches Selbstbewußtsein auch nicht gerade nieder. Bei den meisten jedenfalls nicht. Sie sind vielleicht traurig, wenn sie die Frau wirklich gern mochten und
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