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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen
Autoren: Svende Merian
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andere Sachen auseinandersetzen kann als Politik. «Und das war mir so grade klargeworden. Und dann kam ich aus dem Urlaub wieder, und dann hat sie gesagt, es ist Schluß. Das ist Scheiße, wenn dir das so grade klargeworden ist, was du falsch gemacht hast. Obwohl ich das verstehen kann, daß sie Schluß gemacht hat. Ich kann’s verstehen. Aber es ist Scheiße.»
    Irgendwie wundert es mich, daß er mir so viel von seiner letzten Beziehung erzählt. Der kennt mich doch erst ’ne halbe Stunde. Und in meiner Anzeige stand doch nun wirklich nicht, daß ich ’ne Beziehung suche. Da steht, daß ich Männer kennenlernen will. Und dann auch noch in der Mehrzahl. Wieso erzählt der mir so viel von seiner letzten Beziehung, obwohl er mich erst ’ne halbe Stunde kennt? Und ich habe ihn nicht drauf angesprochen.

    Als wir auf seine Wohnungssituation zu sprechen kommen, werde ich zum zweitenmal hellhörig. Er hat mit ’ner Frau zusammen gewohnt. «Und dann hab ich mich auch manchmal abends mit ihr zusammengesetzt und geschnackt. Und einmal... so was hab ich noch nicht erlebt... als ich ihr dann einmal gesagt habe, daß ich mich nicht dauernd mit ihren Problemen beschäftigen kann, da ist richtig so ’ne Klappe gefallen. So was hab ich noch nicht erlebt. Da war nichts mehr möglich. Und deshalb bin ich dann ausgezogen, weil sie auch nicht mehr mit mir zusammen wohnen wollte. Aber so was hab ich noch nicht erlebt.»
    Den Konflikt möchte ich ja zu gern mal von der anderen Seite geschildert kriegen, klickert es in meinem Kopf augenblicklich. Was die Frau da wohl zu zu sagen hat? Ich könnte mir vorstellen, daß ich sie wahrscheinlich besser verstehen könnte, als den jungen Mann neben mir. Wie sie das wohl sieht, daß er sich abends «öfter mal mit ihr unterhalten» hat? Wie sie mir diese Gespräche wohl schildern würde? Ach du lieber Himmel: Ist das etwa einer von den Typen, die einfach so mit jemandem zusammenziehen. Ohne persönliche Beziehung. Und die sich dann ab und zu ein etwas aufgesetztes Interesse abringen, auch mal über persönliche Sachen zu reden. Mit so einem könnt ich es auch nicht in einer Wohnung aushalten. Ich brauche ein Zuhause, nicht eine Mietgemeinschaft.
    In mir schaltet etwas auf gelbes Blinklicht: Achtung! Du unterhältst dich mit einem Mann. Und hast jetzt schon zwei Ansatzpunkte in diesem kurzen Gespräch, die dich haben aufhorchen lassen. Zwei Ansatzpunkte, die dafür sprechen, daß es sich um einen typisch männlichen Mann handelt. Um einen Mann, der ganz typisch männliche Denkschemata in seinem hübschen Kopf hat. Ja... hübsch ist er wirklich. Und nett auch. Und er hört dir ja auch zu, wenn du was sagst. Es ist ja nicht so, daß er die beiden Frauen, mit denen er diese Konflikte hatte, als bescheuert darstellt. Es ist ja noch nicht mal so, daß er das Verhalten der Frauen kritisiert, von oben herab darstellt oder irgendwas falsch findet, was sie gemacht haben. Er stellt es scheinbar ganz neutral dar.
    Nur... aus der Art und Weise, wie er es erzählt, wird klar, daß er die Frauen nicht versteht. Daß er einfach nicht begreift, wie der Konflikt für die Frauen wahrscheinlich ausgesehen hat. Ihm ist gar nicht bewußt, daß es sich bei beiden Konflikten um typische Mann-Frau-Problematik handelt. Und daß ich es deshalb gleich einordne. Vor meinem Erfahrungshintergrund als Frau einordne. Als vierundzwanzigjährige Frau mit feministisch geschulten Ohren.
    Der Typ hat sich mit der Frauenfrage bestimmt noch nicht groß beschäftigt. Das wird aus seinem Reden deutlich.
    Aber dann kommt etwas, das das Bild vom unsensiblen Politmakker etwas trübt. Als ich erzähle, daß ich Literatur studiere und mich auf Märchen spezialisieren will, hakt er nach. Weshalb ich Märchen gut finde? Was ich für Vorstellungen habe und so? Wieso interessiert den das denn? So ’n individueller Spinnkram von mir. Mir wird die Unterhaltung unangenehm. Ich habe das Gefühl, ihn zu nerven. Daß er vielleicht nur aus Höflichkeit nachbohrt und es ihn in Wirklichkeit gar nicht interessiert.
    Wie kann einen unsensiblen Politmacker interessieren, was ich an Märchen gut finde? Aber er ist hartnäckig. Scheinbar interessiert es ihn wirklich. Scheinbar interessier ich ihn wirklich. Ich wundere mich. Lasse mich auf die Diskussion ein. Wir kommen auf meine Märchenphantasien zu sprechen.
    Daß ich die Natur liebe und doch niemals aus der Großstadt wegziehen könnte. Aber doch davon träume, morgens aus meiner kleinen Holzhütte im
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