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Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen
Autoren: Svende Merian
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was von ihm.
    Ich erzähle ihm mehr von mir. Daß ich alleine wohne, aber jetzt mit Freunden zusammenziehen will. Wir schon seit Monaten ’ne Wohnung suchen.
    Ich frage ihn, weshalb er denn auf meine Anzeige geantwortet hat. Er wollte mal sehen, was dahintersteckt und... natürlich auch, um vielleicht ’ne nette Frau kennenzulernen. Er sagt das einerseits ganz unverbindlich, andererseits aber doch so, daß frau die Hoffnung zwischen den Zeilen raushört, es könnte sich ja ’ne «Beziehung» daraus entwickeln.
    Und dann fängt er an, mir von seiner letzten Freundin zu erzählen. Ganz selbstkritisch. Und warum sie mit ihm Schluß gemacht hat. «Ich hab mich öfter mit ihr verabredet und bin dann nicht gekommen und hab zu Hause andere Sachen gemacht, ’s war auch Scheiße, was ich da gemacht hab.» Ganz überzeugt sagt er das. So richtig so, daß frau denkt: Der hat aus seiner letzten Beziehung gelernt und wird dieselben Fehler nicht wieder machen.
    Und daß sie ihm zu unpolitisch war. Daß ihm in der Beziehung die politische Auseinandersetzung gefehlt hat, erzählt er. Ich werde hellhörig. Neben mir geht ein Mann. Ein Mann, der über seine letzte Freundin sagt, daß ihm bei ihr die politische Auseinandersetzung gefehlt habe.
    Ich erinnere mich. Erinnere mich an Beziehungen, wo die Typen immer mehr politische Praxis hatten als ich. Mir erzählt haben, wo’s langgeht. «Nun emannzipier dich doch mal, Mädchen. Werd mal ’n bißchen politischer.» Sehe alle diese linken emannzipierten Männer vor mir, die ihren Frauen auf die Sprünge helfen wollen, sich politisch weiterzuentwickeln. Sehe Frauen vor mir.
    Frauen, die verschüchtert und verängstigt sich an das anpassen, was er emannzipiert findet. Richtige Politik zum Beispiel, nicht nur Frauengruppe. Erinnere mich an einen Typen, der mir ganz klar gesagt hat, ob wir seine Freundin nicht in unsere Frauengruppe aufnehmen können, damit sie später dann mal «richtig» politisch arbeiten kann. Erinnere mich daran, daß Männer es immer nur geschafft haben, mich zu hindern, meinen politischen Weg zu gehen. Auch wenn sie mir ehrlich helfen wollten, politisch «weiterzukommen». Dahin, wo sie waren. Aber die armen Schweine können ja gar nicht anders. Die haben nämlich nicht am eigenen Leib erfahren, was es heißt, hier als Frau aufzuwachsen und systematisch dazu erzogen zu werden, daß uns Politik nicht zu interessieren hat. Die sind einfach durch ihre eigene Erziehung viel zu unsensibel, auf die wirklich akuten Widersprüche einzugehen. Zu sehen, daß frau nur da eine politische Praxis anfangen kann, wo es sie wirklich interessiert. Und ich selber war lange Zeit viel zu verunsichert, um zu sehen, daß ich mir diesen Anspruch selber aufpfropfe. Internationalismus ist politischer als Frauenfrage. Erinnere mich, daß es ganz lange Zeit gedauert hat, bis ich mit ganz aufrechtem Blick und geradem Rücken sagen konnte: über Vietnam habe ich keine Ahnung. Und ich fühle mich trotzdem nicht minderwertig!
    Weiß, daß ich bestimmt viel schneller ’ne politische Praxis hätte entwickeln können, wenn nicht ’n Typ ewig versucht hätte, mir hilfreich in die Seite zu treten. Daß mich das eher bockig und vernagelt gemacht hat, wenn da einer interessiert von oben herab zuguckt: mal sehen, wie sich die Kleine politisch entwickelt. Dann hab ich erst recht nichts getan.
    Oder einfach sagen zu können: «Ich hab keine Ahnung über die Kulturrevolution in China. Aber ich will jetzt mit dir über dein Makkerverhalten in unserer Beziehung diskutieren. Das find ich politisch genug.»
    Und daß ich erst richtig loslegen konnte, als ich überhaupt nicht mehr auf den Typen gehört habe. Mich erst mal der Auseinandersetzung mit ihm entzogen habe. Und «nur» Frauenpolitik gemacht habe. Und dann fing’s plötzlich ganz von allein an, mich zu interessieren, was in der Welt passiert. Und dann war’s mein Interesse. Und nicht nur eine «politische Notwendigkeit».

    Bei mir läuft der ganze Film meiner politischen Laufbahn ab. Eine typische Frauen-Laufbahn. Und neben mir geht ein Mann, der mir erzählt, daß ihm seine Freundin zu unpolitisch war.
    So kraß sagt er’s natürlich nicht. Aber ich habe scharfe Ohren, wenn Männer mir den Beziehungskonflikt «Mann hat mehr politische Praxis als Frau» darstellen.
    Und daß er dann alleine in den Urlaub gefahren ist, erzählt er mir. Und daß ihm da die Erkenntnis gekommen ist, daß er die Beziehung zu ihr doch will und man sich auch über
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