Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Tod des Maerchenprinzen

Der Tod des Maerchenprinzen

Titel: Der Tod des Maerchenprinzen
Autoren: Svende Merian
Vom Netzwerk:
sich. Wach werden! «Ja, hier ist Svende. Du hast dich auf meine Anzeige im Oxmox gemeldet... Ist das Gedicht von dir selber? ... Ich schreib auch Gedichte... Ich will meine grade mit anderen Leuten zusammen rausbringen.»
    «Das ist gut», meint er. Hat gleich heute nachmittag Zeit zum Spazierengehen, der junge Mann. — Ist ja toll, gleich nach meinem Maklertermin. (Telefonnummer mit 39 am Anfang...) «Du wohnst in Altona?»
    «Ja.»
    «Wo wollen wir denn spazierengehen?»
    «An der Elbe...»
    «Ist okay. Bis halb drei... tschüs.»

    Aufstehen, Scheißwetter... Hoffentlich regnet’s heut nachmittag nicht. Wenn er dann vorschlägt, zu sich nach Hause zu gehen...? Elbspaziergang und Altona ist ja naheliegend. (Geh nicht mit fremden Männern in ihre Wohnung!)

    Die Freundin von Sabine hat auch ’n netten Typen in der Kneipe kennengelernt. Er schlägt dann vor, bei ihm zu Hause noch ’nen Kaffee zu trinken, weil das billiger ist als in der Kneipe... Und kaum hat er die Wohnungstür hinter ihr zu, geht er mit dem Küchenmesser auf sie los und vergewaltigt sie. («Die meisten Frauen kennen ihren Vergewaltiger vorher.» — «Die Frau wollte ja! Sie ist ja mit ihm in seine Wohnung gegangen.»)
    Aber das kann ich ihm doch nicht sagen: daß ich nicht mit ihm in seine Wohnung gehe, weil ich Angst habe, daß er mich vergewaltigt. Der denkt doch, wo kommt die denn her? Heutzutage ist es doch üblich, sich sofort gegenseitig auf die Bude zu schleppen, auch ganz harmlos. Frau darf nicht von vornherein ein Mißtrauen gegen Männer haben. Es wird erwartet, daß sie ihnen erst mal so was nicht zutraut... bis der Typ zum Mißtrauen Anlaß gibt. Und dann ist es für viele Frauen zu spät. Wie für Bines Freundin.
    Ich spreche mit Tom darüber. Sage, daß ein Typ, der solche Gedichte schreibt, bestimmt kein Vergewaltiger ist. Ich hab nach diesem Brief das Gefühl einer ganz starken Vertrautheit, obwohl ich diesen Menschen noch nie gesehen habe.
    Tom warnt mich: Auch wenn einer noch so tolle Gedichte schreibt, so sagt das noch nicht viel. — Ich beschließe, daß Tom recht hat. Ich muß vorsichtig bleiben, auch wenn ich den Wunsch habe, daß diese Vorsicht unnötig ist.
    Ich denke mir Möglichkeiten aus, was ich vorschlage, wenn’s wirklich regnet...

    Bahnhof Altona.
    Hier war ich nicht, seit er neu gebaut ist. Moderner, verwirrender Bau. Überall Kacheln, Schilder. Ich finde den Ausgang nicht, verlaufe mich. «Bismarckbad? Da müssen Sie auf die andere Seite.»
    «Danke.»
    Na endlich. Da steht er. Oder ist er das nicht? Am Telefon sagte er doch, er wolle eine Tageszeitung in der Hand haben (rote Nelke ist ja unzeitgemäß). Aber da steht kein anderer, der es sein könnte. Komisch sieht er ja aus. Diese Nase!
    Er guckt mich an, als wenn er auf mich wartet. Ich gehe auf ihn zu. Er ist es.
    Gott sei Dank, das Wetter ist gut. Spazierengehen. Keine Vergewaltigungsängste mehr... Da sagt der Typ, er muß noch mal kurz zu sich nach Hause, ’n paar Flugblätter mitnehmen. Panik. Scheiße. Ich fluche innerlich. Doch zu ihm nach Hause. Scheißflugblätter.
    Ruhig bleiben. Wenige Minuten, um mit diesem Konflikt klarzukommen... Ich gehe mit. Bleibe in Sprungstellung neben der Wohnungstür stehen, während er in einem der Zimmer rumkramt. Der Typ wohnt alleine hier. Auf dem Flur bleiben! Dann bist du am schnellsten wieder draußen, wenn er dir was tun will.
    Als wir nach knappen drei Minuten die Wohnung wieder verlassen, atme ich auf.
    Der wollte mich ja gar nicht vergewaltigen!
    Auf dem Spaziergang erzähle ich ihm, warum ich die Anzeige aufgegeben habe. Daß ich mich im letzten halben Jahr selber aktiv isoliert habe. Vorher Frauenarbeit gemacht habe und dabei natürlich tausend nette Frauen kennengelernt habe aus allen möglichen Frauengruppen und so. Aber eben nie Männer. Daß mein ganzer Bekanntenkreis aus Frauen besteht, weil ich in der politischen Arbeit und im Studium eben lieber mit Frauen zusammenarbeite. Aber daß ich in der Freizeit auch was mit Männern machen möchte. Daß ich dann auch noch meine Antifa-Arbeit aufgegeben hab, weil ich wieder nicht mit den Typen in der Gruppe klargekommen bin. Diese unsensible, freundlich-kalte Atmosphäre, in der ich trotz allen Mutes am Anfang irgendwann doch nicht mehr zugeben mag, daß ich von den ganzen Faschismustheorien nicht die Bohne verstehe. Die Typen scheinen diese wissenschaftlich theoretischen Texte in sich reinfressen zu können. Ich kann das nicht. Ich möchte mir auch eine
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher