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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
Autoren: Rupert Mattgey
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Minute dicker zu werden schien. Noch einmal versuchte er den VW zu starten. Nach einem kurzen, protestierenden Wimmern erwachte der Motor zu neuem Leben. Er trat aufs Gaspedal und hörte den Motor aufheulen. Matsch und kleine Steine prasselten auf das Heck des Wagens, als die Hinterreifen des VW Käfer ins Leere griffen und durchdrehten. Im Rückspiegel sah der Lehrer eine Dreckfontäne, die hinter dem Wagen meterhoch in die Luft geschleudert wurde. Matsch regnete auf die ovale Heckscheibe nieder. Er schaltete in den Rückwärtsgang und gab erneut Gas, aber die Räder fanden keinen Halt. Der Lehrer schloss für einen Moment die Augen. Dann stieg er aus. Auf die geöffnete Tür gelehnt blieb er stehen und spähte hinüber zu den dunklen Tannen, zwischen denen sich der Pfad zum Förderturm hindurch schlängelte.
    „Hallo!“, rief er. „Ist da jemand?“ Er lauschte angestrengt. Die Tannen flüsterten leise im Wind. Da ist nichts, sagte er sich. Du hast es dir eingebildet. Es war eine lange Fahrt, deine Augen sind müde.
    „Hallo?“, rief er noch einmal.
    Die Kälte kroch unter seine Kleidung und jagte die Wärme darunter hervor. Er zog seinen Mantel fester um sich und schlug den Kragen hoch. Dann betrachtete er das schlammverkrustete Heck und die eingegrabenen Hinterräder. Er trat vor den VW Käfer und öffnete die Fronthaube, nahm den Schraubenschlüssel heraus und wog ihn in der Hand. Er ließ ihn probeweise durch die Luft sausen. Besser als nichts, dachte er, und spähte erneut zum Pfad hinüber. Der Wald lag finster und still. „Hallo?“, rief er, und seine Stimme verlor sich zwischen den Tannen. Langsam ging er zum Waldrand auf der gegenüberliegenden Seite des Weges hinüber. Sobald er den Lichtkegel der Scheinwerfer verließ, konnte er die Hand nicht mehr vor Augen sehen. Er bückte sich und tastete mit seiner freien Hand nach Ästen. Von Zeit zu Zeit warf er einen nervösen Blick über die Schulter zurück. Als er schließlich genügend Äste gesammelt hatte, kniete er sich neben dem Wagen in den Dreck und schob die Äste unter die Hinterräder. Dumpfer Schmerz pochte in seinem Bein.
    Hinter ihm ertönte ein lautes Knacken, als würde ein Ast brechen. Die Angst kam plötzlich. Sie schnürte ihm die Luft ab. Er fuhr mit einem Ruck herum und sprang auf, den Schraubenschlüssel zum Schlag erhoben. „Wer ist da?“, brüllte er. Seine Stimme klang schrill. Jeder Muskel in seinem Körper war bis zum Zerreißen gespannt. Seine Augen zuckten panisch hin und her, versuchten die Dunkelheit zu durchdringen. „Wer ist da?“, flüsterte er.
    Aber da war niemand.
    Er wartete auf eine Antwort, ein Geräusch, eine Bewegung, aber nichts rührte sich. Die Finsternis unter den Tannen war unergründlich.
    Langsam brachte er seinen keuchenden Atem unter Kontrolle. Er tastete sich am Wagen entlang zurück zur Fahrertür und ließ den dunklen Pfad, der durch den Wald zum Bergwerk führte, nicht einen Moment aus den Augen. Dann sprang er in den Wagen und schlug die Tür hinter sich zu. Er zwang sich, langsam und gleichmäßig zu atmen. Er gab behutsam Gas. Seine Beine zitterten. Die Reifen schienen zu greifen, denn der VW bewegte sich einige Zentimeter vorwärts. Er erhöhte den Druck aufs Gaspedal. Der Motor heulte laut auf, als die Räder durchdrehten. Die Äste prallten gegen den Unterboden und wurden in einer Explosion aus Holz und Dreck hinter dem Wagen in die Luft geschleudert.
    „Gottverdammt“, flüsterte er.
     
    Er saß lange im Wagen, ohne sich zu rühren. Schließlich zog er den Schlüssel aus dem Zündschloss. Das Vibrieren des Motors und das tröstliche Rauschen des Gebläses erstarben. Er starrte aus dem Seitenfenster. Der Wind spielte in den Ästen der Tannen. Hinter den ersten Stämmen versank der Pfad zum Bergwerk in völliger Finsternis. Seine Finger strichen zögernd über das Lenkrad. Als er die Scheinwerfer schließlich ausschaltete, kam die Dunkelheit über den Wa gen wie ein hungriges Raubtier.
    Nach einer Weile stieg er aus. Er zog seinen Seesack von der Rücksitzbank und schlang sich den ledernen Gurt um die Schulter. Er lauschte, doch bis auf das leise Flüstern des Windes war der Wald vollkommen still. Er nahm den Schraubenschlüssel vom Beifahrersitz, schlug die Fahrertür zu und schl oss sie ab. Dann lief er los.
    Er warf einen Blick über die Schulter zurück, doch die Finsternis hatte den Wagen bereits nach wenigen Metern verschluckt. Er konzentrierte sich auf den Feldweg zu seinen
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