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Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Der Teufel in Thannsüß (German Edition)

Titel: Der Teufel in Thannsüß (German Edition)
Autoren: Rupert Mattgey
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Lehrer hob beschwichtigend die Hände. „Warten Sie.“ Er schluckte den Klumpen in seinem Hals hinunter und versuchte, das Klopfen seines Herzens unter Kontrolle zu bekommen. „Warten Sie. Mein Name ist Erik Strauss. Ich bin der neue Lehrer. Man erwartet mich im Pfarrhaus!“
    Für einige Sekunden standen sie sich reglos gegenüber. Dann ließ die Frau die Petroleumlampe sinken. „Sie sind zu spät!“, bellte sie. „Wir haben Sie gegen Mittag erwartet. Gegen Mittag! Jetzt ist es Nacht.“
    „Ich hatte eine Wagenpanne.“ Er schluckte. „Sagen Sie mir, was hier los ist.“
    Die Wut in ihren Augen wich nach und nach dumpfer Erschöpfung. „Was hier los ist? Es gab einen Unfall im alten Bergwerksstollen. Aber ehrlich gesagt wüsste ich nicht, was Sie das angeht.“
    Der Lehrer senkte die Augen auf den Sarg, der zwischen ihnen stand.
    „Ich bereite ihn für die Beerdigung vor. Morgen in aller Frühe werden wir ihn begraben. Und jetzt sagen Sie mir, was Sie hier drin zu suchen haben.“
    „Ich sollte mich am Pfarrhaus einfinden. Ich habe geklopft und lange gewartet, aber niemand hat geöffnet. Also habe ich nach dem Pfarrer gesucht. Die Eingangspforte stand offen, und ich dachte, er wäre vielleicht in der Kirche.“
    Ihre Züge entspannten sich etwas. „Der Herr Pfarrer hat sich bereits zu Bett begeben, er ist ein kranker Mann. Hoffentlich haben Sie ihn nicht geweckt mit Ihrem Lärm.“
    „Ich wollte nicht ...“
    „Kommen Sie jetzt!“, unterbrach sie ihn barsch. „Hier drin gibt es nichts für Sie. Folgen Sie mir.“
     
    Sie schloss die Eingangstür des Pfarrhauses mit einem schweren Metallschlüssel auf. „Wir haben einen Brief erhalten“, sagte sie dann. „Darin stand, dass Sie kommen würden. Sie würden sich am 6. Oktober bis spätestens zwei Uhr nachmittags im Pfarrhaus einfinden, hieß es. Zwei Uhr!“
    Erik versuchte das Bild des verstümmelten Toten abzuschütteln, das sich tief in sein Gedächtnis gebrannt hatte. Er konzentrierte sich darauf, langsam und regelmäßig zu atmen. „Ich weiß, dass ich spät dran b in. Es ist nicht meine Schuld.“
    „Das sagten Sie bereits.“ Sie seufzte. „Jetzt ist es zu spät, um etwas daran zu ändern. Ich würde Sie ja hereinbitten, aber wie ich bereits sagte, der Herr Pfarrer schläft. Es wäre nicht gut für ihn, wenn er zu dieser unchristlichen Stunde geweckt würde.“ Dann ging sie hinein und bedeutete ihm mit einer Handbewegung, draußen auf sie zu warten. Aus dem Inneren des Pfarrhauses schlug ihm der Geruch von frisch gebackenem Brot entgegen. Die Frau ging den Flur hinunter. Im Licht der Petroleumlampe zeichnete sich ihr Schatten scharf und zuckend an der Wand ab. Sie verschwand in einem Zimmer, und er hörte das Klirren eines Schlüsselbundes. Das Licht der Lampe näherte sich wieder. Sie ging an ihm vorbei durch die offene Tür nach draußen. „Sie werden im Gästehaus schlafen“, sagte sie. „Ich habe alles für Sie vorbereitet.“
    Er folgte ihr über den Pfarrhof. Im Schein der Lampe tauchten knotige Baumstämme aus der Dunkelheit auf. Sie durchquerten den Obstgarten schweigend. Schließlich erreichten sie ein kleines Gebäude aus Stein und Holz.
    „Da wären wir“, sagte die Frau. „Das ist das Gästehaus. Hier wohnen Sie. Es ist vielleicht nicht so geräumig wie Ihre Wohnung in der Stadt.“ Ihm entging der scharfe Unterton in ihrer Stimme nicht. „Aber das Dach wurde erst im Sommer gerichtet. Und Sie haben Ihren eigenen Kamin, damit Sie es auch im Winter schön warm haben. Es wird sehr kalt hier oben im Winter, sehr kalt, so etwas kennen Sie ja gar nicht aus der Stadt.“
    Sie schloss die hölzerne Eingangstür auf, und sie betraten das Gästehaus. Sie hielt die Lampe hoch über ihren Kopf, um den gesamten Raum auszuleuchten. „Das dort drüben ist Ihr Bett. An der Wand gegenüber steht das Bett Ihrer Frau.“ Sie musterte ihn von der Seite. „Sie ist doch Ihre Frau?“
    „Natürlich“, sagte er. „Wir haben vor drei Jahren geheiratet.“
    Sie nickte. „Das ist gut. Aber warum ist sie nicht hier, bei Ihnen?“
    „Es gab in München noch einige wichtige Dinge zu regeln.“
    „In der Stadt gibt es immer so viele wichtige Dinge zu regeln.“ Er hörte Bitterkeit in ihrer Stimme. „Aber was kümmert es mich! Die Betten sind gut. Ich habe Ihnen Daunendecken bezogen.“
    „Danke sehr.“
    Sie stellte die Petroleumlampe auf dem Esstisch neben der Eingangstür ab. Der Lehrer sah sich langsam um. An einem schlichten Holzkreuz
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