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20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

20 - Im Reiche des silbernen Löwen I

Titel: 20 - Im Reiche des silbernen Löwen I
Autoren: Karl May
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ERSTES KAPITEL
    Dschafar
    Wohl die meisten meiner Leser kennen Winnetou, den Häuptling der Apachen, den edelsten Indianer, den besten und treusten Freund, den ich gehabt habe; Sie wissen jedenfalls auch, daß und wie er gestorben ist. Er erhielt im tiefen Krater des Hancock-Berges im Kampf gegen die Sioux eine Kugel in die Brust und verschied kurze Zeit darauf in meinen Armen. Wir schafften seine Leiche nach den Gros Ventre-Bergen und begruben sie dort im Tal des Metsur-Flusses. Mir blieb die traurige Pflicht, nach dem Süden zu reiten, um den Apachen zu melden, daß ihr geachtetster und bewundertster Anführer nicht mehr am Leben sei.
    Das war ein Ritt, an den ich noch heute am liebsten gar nicht denken mag. Winnetous Tod hatte mich so tief ins Leben getroffen, daß ich ein ganz anderer geworden war. Sonst immer heiter und voller Vertrauen auf mich selbst, brachte ich es jetzt nicht zum leisesten Lächeln, und aller Lebensmut schien mir abhanden gekommen zu sein. Ich wollte allein mit mir sein und mied die Menschen, und mußte ich auf meinem einsamen, weiten Ritte ja einmal in einem Fort oder einer Ansiedlung vorsprechen, so tat ich dies in kürzester Weise und machte mich so schnell wie möglich wieder davon.
    Ich kann freilich nicht sagen, daß die Leute, mit denen ich da zusammentraf, sich so gegen mich verhalten hätten, daß mir der Gedanke gekommen wäre, länger, als ich beabsichtigt hatte, bei ihnen zu bleiben. Nein, sie schenkten mir ganz im Gegenteil so wenig Beachtung, als ob ich für sie gar nicht vorhanden sei, und ich bekam, wenn ich weiterritt, kaum einen Gruß zu hören. Der Grund davon lag in meiner äußeren Erscheinung.
    Es muß nämlich erwähnt werden, daß ich mit Winnetou nach dem Hancock-Berg gegangen war, um eine Anzahl Settlers, welche wir kannten, aus der Gefangenschaft der Sioux-Ogellallah zu befreien. Dies gelang uns, wurde aber mit dem Tod Winnetous bezahlt. Als wir ihn begraben hatten, entschloß sich ein Teil der Weißen, im Tal des Metsur-Flusses zu bleiben und da eine Ansiedlung zu gründen. Ich half ihnen dabei, und so kam es, daß ich den Ritt zu den Apachen erst längere Zeit später antrat.
    Im Laufe dieser Zeit war mein Jagdanzug so defekt geworden, daß ich gezwungen war, ihn durch einen andern zu ersetzen; da es aber im wilden Westen kein Kleidermagazin gab, so war ich froh, als mir einer der Settler einen selbstgefertigten Anzug anbot, eine Kleidung von der Art, wie die Hinterwäldler sie zu tragen pflegen, von blauer Leinwand, selbst erbaut, selbst gesponnen und gewebt und auch selbst zugeschnitten und zusammengenäht. So ein Anzug hat natürlich keine Spur von Schnitt; die Hose gleicht einer zusammengehängten Doppelröhre; die Weste ist ein kleiner Sack ohne und der Rock ein großer, langer Sack mit Ärmel. Und da der meinige eigentlich für eine ganz andere Figur bestimmt gewesen war, so läßt es sich denken, daß ich in diesem Habit keine allzu bewundernswerte Rolle spielte. Ich sah wohl allem andern aber nur keinem Westmann ähnlich, und da mein jetziges wortkarges, menschenscheues Wesen dazu kam, so war es ganz natürlich, daß ich nirgendwo die Beachtung fand, welche Old Shatterhand sonst überall zu erregen pflegte.
    So war ich im Verlauf von zwei Wochen in die Nähe des Nord-Canadian gekommen. Ich ritt über eine weite, ebene Prärie, auf welcher inselartige Gruppen von Bäumen und Sträuchern standen, ein Umstand, welcher zur Vorsicht mahnte, weil dadurch die Aussicht gehemmt wurde und man immer auf eine plötzliche Begegnung gefaßt sein mußte, die leicht eine feindliche sein konnte, denn es ging das Gerücht, daß unter den Comanchen, deren Jagdgebiet sich bis hierher erstreckte, bedenkliche Unruhen ausgebrochen seien.
    Es war um die Mittagszeit, als ich einen Bach erreichte, dessen frisches, helles Wasser zur Rast einlud. Ich suchte mir eine Stelle aus, von welcher aus ich einen weiten Umblick hatte und jeden, welcher sich etwa näherte, kommen sehen konnte, stieg ab, ließ mein Pferd zum Grasen frei, trank mich satt und legte mich dann im Schatten eines Baumes nieder, doch so, daß ich die ganze Umgegend im Auge hatte.
    Ich mochte eine Viertelstunde gelegen haben, als ich zwei Reiter bemerkte, welche es gerade auf die Stelle, wo ich lag, abgesehen zu haben schienen. Es waren Weiße; ich blieb also unbesorgt liegen. Sie kamen aus derselben Richtung, aus welcher ich gekommen war; ja, sie ritten auf meiner Fährte, der sie, wie ich bemerkte, große
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