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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem
Autoren: Christian Jacq
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ihm an, welchem Weg er
folgen mußte.
    Was für ein Verbrechen habe
ich begangen, dachte Salomo, ich, der Zadok das Recht zugestanden hat, Hiram zu
bestrafen? Auch wenn er es sich nicht eingestehen wollte, aber er hatte den
Baumeister verraten, oder? Hatte er nicht den einzigen Menschen zum Tode
verurteilt, den er beneidet hatte?
    Als sie sich
der Anhöhe näherten, wurde das Zepter glühend heiß.
    «Hier ist
es», meinte einer der Meister. «Seht ihr die aufgewühlte Erde und die Akazie?»
    Hirams Brüder
gruben und legten den Leichnam frei. Das Gesicht des Oberbaumeisters war
friedlich, fast schien er zu lächeln. Sein eigenes Blut diente ihm als
Purpurumhang. Die Meister bildeten einen Kreis um den Toten und gedachten
schweigend des Leiters ihrer Bruderschaft.
    «Meister
Hiram soll in den Grundmauern seines Tempels ruhen», entschied Salomo, «unter
dem Allerheiligsten.»
     
     
    Die weißlichen Flecken auf der
Haut der Kranken ließen keinen Zweifel zu. In der Unterstadt von Jerusalem
breitete sich die Lepra aus und zerfraß unerbittlich die Gesichter.
    Die meisten
Mitglieder der Bruderschaft waren auf Befehl ihrer neun Meister in ihre
Heimatländer geflohen.
    In Dörfern
und Kleinstädten löste man die von Hiram aufgebaute Organisation auf. Die
letzten Lehrlinge wurden verjagt. Unkundige Handwerker übernahmen die
Werkstätten und ersetzten sie durch Baubuden. Zu was war eine Bruderschaft von
Bauhandwerkern noch in einem Land nutze, in dem die großen Bauten fertiggestellt
waren?
    Salomo
widersetzte sich der Vernichtung der von Hiram geschaffenen Gemeinschaft nicht.
Wer hätte sie auch schon leiten können?
    Während das
Volk betete, benutzte Salomo den Ring der Macht, um die Winde zu besänftigen,
die die Pest herbeiwehten. Nachdem er sie beschworen hatte, fiel der kostbare
Gegenstand auf die Fliesen des Vorhofes und zerbrach. Dennoch war die Epidemie
eingedämmt.
    Der Winter,
der auf die Ermordung des Oberbaumeisters folgte, war der härteste seit
Menschengedenken. Es schneite tagelang, und selbst die Ebenen Samarias und
Judäas waren zugeschneit. Die Berghänge waren zu Gletschern geworden. Die
Gottesdienste für Jahwe waren nur noch kurz, denn der stürmische Wind, der auf
dem Felsen von Jerusalem blies, hinderte die Priester daran, die Opferfeuer zu
entzünden. Hagelkörner peitschten die Gesichter, eisiger Regen prasselte auf
die Altäre. In der Stadt war kein Vorankommen mehr. Die Einwohner dachten nur
noch daran, wie sie sich in ihren Wohnungen um einen Ofen oder ein Kohlebecken
zusammendrängen konnten. Der qadim aus dem Osten jagte Schneegestöber
durch die Stadt Salomos und tobte in Schneewirbeln über dem See Genezareth.
    Zadok
versuchte, Jahwe zu ehren, und starb zu Füßen des großen Altars an einem
Blutgerinnsel. Er wurde heimlich beerdigt. Der König ernannte keinen neuen
Hohenpriester. Als auch General Banajas ins Jenseits abberufen wurde, begnügte
sich der Herrscher, der bereits oberster Heeresführer war, mit einem
verkleinerten Führungsstab.
    Balkis
abgereist, Hiram ermordet, Nagsara von Verzweiflung dahingerafft, wem konnte
Salomo da noch vertrauen? Die drei Menschen, die er geliebt hatte, waren aus
Israel geflohen, als hätte der vom König geschaffene Frieden weder ihr Herz
noch ihre Seele berührt, als lastete ein Fluch auf dem Schicksal des Gelobten
Landes.
    Auch die
Weisheit hatte den König verlassen. Er hatte es nicht geschafft, die
Pharaonentochter zu lieben. Mit dem Verrat an Hiram hatte er sich um den
einzigen Menschen gebracht, der ihn niemals verraten hatte. Es war ihm nicht
gelungen, die Königin von Saba zurückzuhalten, und das hatte seine Ohnmacht
bewiesen, sich von jemandem lieben zu lassen, der größer war als er.
    Salomo berauschte sich an der
Welt und ihrer Kurzweil.
    Jeden Abend
gab er ein Fest, und im ganzen Palast wurde getanzt, gesungen und weinselig
gescherzt. Die Gäste stopften sich mit gebratenem Fleisch voll, und der Wein
floß in Strömen. Fremdländische Diplomaten sangen Loblieder auf die
Gastfreundschaft des Königs und die Pracht seines Hofes.
    Der Herrscher
bot nur die besten Jahrgänge aus Weinbergen des ganzen Morgenlandes an. Junge,
vollendet gebaute Frauen weckten auch im Abgestumpftesten noch Verlangen. Sie
setzten sich auf die Knie lasterhafter Männer, entkleideten sich nach und nach
auf den Gastmählern, die sich zu Orgien auswuchsen, bei denen Liebkosungen und
Küsse die Gerichte würzten. Junge, unberührte Mädchen gesellten sich zu
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