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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem
Autoren: Christian Jacq
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Erweise mir wenigstens die Gnade, dein Geheimnis mit mir zu teilen.»
    Die Königin zögerte.
    «Du wirst
leiden.»
    «Leiden ist
mir lieber als zweifeln.»
    Balkis wandte
sich ab. Sie hatte nicht mehr die Kraft, diesen König anzusehen, der eine so
beruhigende Kraft ausstrahlte.
    «Ich erwarte
ein Kind von dir, einen Sohn. Den werde ich Menelik nennen, und er wird einer
der geheiligten Ahnen meiner Rasse werden. Lebe wohl, Salomo.»
     
     
    Der verlassene Gerichtssaal lag
in schlummerndem Halbdunkel. Als Zadok mit einer Fackel in der Hand eintrat,
machte er als erstes die Täfelungen aus Zedernholz aus, dann Salomo auf seinem
Thron. Flüchtig hatte er den Eindruck, der König hätte sich in eine Statue
verwandelt.
    «Majestät…
ich habe dich überall gesucht.»
    «Störe mich
nicht, Hoherpriester.»
    «Verzeih,
wenn ich beharre… eine Sache von größter Wichtigkeit.»
    Gab es etwas
Wichtigeres als den Verlust einer geliebten Frau, die den innig ersehnten Sohn
im Schoß trug? Salomo hatte Jahwe angefleht, ihn langsam ins Nichts und dann
ins Vergessen sinken zu lassen. Er hatte davon geträumt, er könne mit dem Thron
der Gerechtigkeit verschmelzen, zu Stein werden und nicht länger für Freude und
Schmerz erreichbar sein.
    «Erlaubst du
mir zu sprechen, Majestät?» fragte Zadok überrascht über die tiefe
Niedergeschlagenheit des Königs.
    Lässig und
gleichgültig hob Salomo die rechte Hand. Der Hohepriester deutete das als
Zustimmung.
    «Dein
Oberbaumeister hat dich verraten.»
    Salomos Blick
verfinsterte sich.
    «Und wie?»
    «Die von
vertrauenswürdigen Priestern durchgeführte Nachforschung ist noch nicht zu
eindeutigen Ergebnissen gekommen, aber es hat den Anschein, als ob der
Baumeister die Geheimnisse seiner Bruderschaft an Israels Feinde verkaufen
will.»
    Niedergeschlagen
zog sich Salomo in die Tiefen des Throns zurück.
    «Und mir
wollte er sie nicht geben… Was kann ich machen? Hiram wird gehen.»
    «Man munkelt,
daß er nicht allein geht.»
    Jetzt merkte Salomo auf und
rutschte wieder nach vorn.
    «Was ist das
für ein Gerücht?»
    «Es gibt
Leute, die meinen zu wissen, daß die Königin von Saba ihn eingestellt hat.»
    Balkis und
Hiram… Wie konnte Jahwe einen so unerhörten Bund zulassen? Warum verletzte er
Israels König, seinen treuen Diener, auf diese Weise? Für welchen Fehler
grollte er ihm?
    «Majestät, ich habe mir
gedacht, es wäre gut, wenn man den Oberbaumeister zur Ordnung riefe und ihm
einen strengen Verweis zukommen ließe. Schließlich verdankt er sein Glück und
seinen Ruhm dir. Schließlich schuldet er Israel Treue. Der Mann ist stolz,
aufmüpfig, doch vor deiner Autorität wird er sich beugen. Gestattest du mir,
daß ich die notwendigen Maßnahmen ergreife?»
    Salomo konnte
nicht mehr offen vorgehen. Die Königin von Saba vor Zadok zu erwähnen hieße,
sich zu erniedrigen. Daß Zadok jetzt endlich seinen Haß befriedigte, entging
dem König durchaus nicht. Aber hatte sich der Baumeister den Verweis durch sein
unwürdiges Benehmen nicht selbst zuzuschreiben? Müde, gekränkt, erschöpft durch
ungerechtes Leid, das ihm die Weisheit raubte, ging der König auf den Vorschlag
seines Hohenpriesters ein, denn dieses Mal diente er den Interessen und der Größe
des Reiches.
     
     
    Hiram höchstpersönlich
entlohnte die Gesellen und Lehrlinge vor der Höhle. Zum letzten Mal gab er
diesen Männern den Lohn, der ihrer geleisteten Arbeit entsprach. Er kannte sie
alle, wußte ihre Verdienste zu schätzen und hatte sich ihre Achtung erworben.
Wie gewöhnlich ging das schweigend vonstatten.
    Als der
letzte Lehrling gegangen war, gab der Oberbaumeister seinem Hund zu fressen.
Und als der gefressen hatte, schlief er ein. Hiram stieg zum Tempel hinauf. Er
wollte dieses Werk noch einmal sehen, dem er so viele Lebensjahre geschenkt
hatte, diese Steine, in denen er seinem Auftrag gemäß Ägyptens Weisheit in neue
Form gegossen hatte.
    Balkis würde
bei Tagesanbruch nach Saba aufbrechen. Und Hiram würde ihr ein paar Tage später
folgen, nachdem er seinem Nachfolger letzte Anweisungen erteilt hatte. Im
fernen Süden würden sie sich im Schutz der Goldberge lieben. Im Geist schuf der
Baumeister bereits einen Palast mit tausend Fenstern, Dachgärten mit Blumen,
Lustseen und einen sonnendurchfluteten Tempel. In Saba würde er in strahlendem
Licht bauen und diese Denkmäler seinen am Jordanufer umgekommenen Brüdern
widmen, die Opfer von Jerobeams Verrat und seiner eigenen Kurzsichtigkeit
geworden
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