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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem
Autoren: Christian Jacq
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geworden war. Doch dieses Recht war dem König vorbehalten. Niemand außer
David war fähig, die Urbotschaft zu lesen und über das Wort des himmlischen
Meisters nachzudenken.
    Salomo legte ein kostbares
Tuch aus Ziegenhaar über die Bundeslade, dann hüllte er die goldüberzogenen
Akazienstangen in rotgefärbte Widderfelle. So war das Heiligtum vor den Augen
seiner Träger geschützt.
    Der Sohn
Davids verließ das Zelt, das die Bundeslade barg. Auf der sattgrünen Ebene, die
sich zu Füßen des Hügels erstreckte, auf dessen Kuppe man das Lager errichtet
hatte, war bereits hellichter Tag. Salomo hatte das Gefühl, daß ihm die ganze
Welt gehörte. Doch er verscheuchte diesen törichten Gedanken und hob den Blick
zur aufgehenden Sonne, ließ sich von ihr blenden und hätte sich am liebsten in
dieser Lichtfülle aufgelöst.
    Waren die
Hebräer nicht immer auf Wanderschaft gewesen? Hinter dem bebauten Land kam die
Wüste. Und diese Wüste trennte Israel von der verhaßten Kultur, von Ägypten,
das Salomo seit Kindesbeinen insgeheim bewunderte. Waren die Lehren der
ägyptischen Weisen nicht die tiefgründigsten und scharfsinnigsten? War Ägypten
nicht das einzige große Land, das sich an Frieden und Reichtum erfreute? Der
Sohn Davids hatte es verstanden, seine Vorliebe für das Reich der Pharaonen
geheimzuhalten. Dieses Geheimnis hatte er niemandem verraten, vor allem nicht
seinem Vater, der ihn deswegen möglicherweise verbannt hätte. Wie er war auch
Salomo ein Sohn der Wüste, der unendlichen Weiten, ein Sucher nach dem
Unabdingbaren. Er wußte, daß sich Gott nur in der Stille und Einsamkeit
offenbarte. Doch Salomo mochte sich nicht eingestehen, daß sich Israel in
fruchtlosen Erinnerungen wiegte. Wenn die Hebräer einen dauerhaften Frieden
haben wollten, brauchten sie einen mächtigen Staat und eine so strahlende
Hauptstadt wie das ägyptische Theben.
    Doch das war
nichts weiter als ein unergiebiges Trugbild.
    Während
Davids Sohn mit verschränkten Armen dastand und das Dörfchen betrachtete, das
gerade erwachte, meinte er einen Schmerzensschrei zu hören. War er wieder
einmal Opfer von Alpträumen, mit denen ihn die Dämonen der Nacht viel zu häufig
heimsuchten?
    Menschenstimmen.
Kampfgetöse.
    Salomo ging
bis zum Rand der felsigen Ebene. Auf einer Felsplatte gut zwanzig Ellen unter
ihm hieben zwei Fußsoldaten seiner Leibwache mit Knüppeln unglaublich
gewalttätig aufeinander ein. Schweißbedeckt trotz der morgendlichen Frische,
nur mit einem schlichten Schurz bekleidet, schlugen sie sich auf den Tod. Ihre
Waffengefährten feuerten sie an und ermutigten die beiden Kämpfenden auch noch.
    Und die
kämpften nicht nur, sondern beschimpften sich in der Hoffnung, damit den
Widerstand des anderen zu brechen. «Ich verfüttere dein Fleisch an die Vögel
des Himmels und die wilden Tiere auf dem Feld!» brüllte der Kleinere mit den
dicken Beinen und dem großen Oberkörper. Er hob den Knüppel ganz hoch, zog
einen eigenartigen Bogen und ließ ihn auf den Schädel des Soldaten sausen, der
ihn herausgefordert hatte und der jetzt abwehrend die Arme hochriß. Der Hieb
entschied alles. Mit blutüberströmtem Gesicht brach der Besiegte zusammen.
    Das Ganze
hatte sich so schnell abgespielt, daß Salomo keine Zeit zum Eingreifen blieb.
Der Sieger stieß einen Jubelruf aus und warf seinen Knüppel auf die Leiche des
Besiegten.
    «Lassen wir
den Dreckskerl einfach verfaulen!» forderte er. «Für den spielen Raubvögel und
Nagetiere den Totengräber. Und seine Gebeine mag dann der Wind als Abfall
verstreuen!»
    Auf einmal
bemerkte einer der Soldaten Salomo. Er klopfte seinem Nachbarn auf die
Schulter, und der warnte seine Waffengefährten. Sogleich schwiegen alle.
    «Der Mann da
soll zu mir hochkommen», befahl der Sohn Davids und zeigte dabei auf den
traurigen Helden.
    Der blickte
sich erschrocken um. Niemand kam ihm zu Hilfe. Er gehorchte und ging zögernden
Schrittes den steilen Pfad hoch, der zur Hügelkuppe führte. Sich Salomo zu
stellen machte ihm mehr angst, als sich mit einem Koloß bis auf den Tod zu
schlagen. Er wußte, daß der Sohn Davids eine Abneigung gegen Gewalt hatte.
    «Gebieter»,
sagte er und fiel dabei auf ein Knie, «ich habe mich nicht gegen das Gesetz
vergangen. Man hat mich herausgefordert, und nach altem Brauch habe ich mich
gewehrt.»
    Salomo wußte nur
zu gut, daß die Hebräer für alle Arten von Zweikämpfen viel übrig hatten. So
etwas lockte immer viele Zuschauer an. Davids Kampf gegen Goliath
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