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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem
Autoren: Christian Jacq
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aller
Kraft.
    «Salomo, ich
übergebe dir die Königswürde, die mir Gott anvertraut hat und derer ich mich
unwürdig erwiesen habe. Der Tod ist die Schnur, die Seine Hand durchtrennt, der
herausgerissene Pflock, das vom Wüstenwind davongetragene Zelt. Meine Seele ist
bereit, in den Himmel zu gehen und vor ihren Richter zu treten. Ich habe Krieg
geführt und habe gesiegt. Möge diese Zeit nicht noch einmal kommen. Du, der den
Namen Salomo, der ‹Friedensbringer›, trägst, erringe ihn auch für dieses Land.
Mache ihn zu einem Band zwischen Israel und dem Himmel. Meine Krone ist
blutbefleckt. Abgeschlagene Köpfe liegen zu Füßen meines Throns. Darum habe ich
dem HERRN auch kein Haus bauen können. Erledige du diese Aufgabe, mein Sohn.
Forsche unaufhörlich nach der Weisheit, die vor allem Anfang geschaffen wurde,
ehe noch die Meere entstanden, die Flüsse und die Quellen, ehe sich die Berge
erhoben, ehe Nacht und Tag voneinander geschieden wurden, ehe sich das Licht
aus dem Chaos erhob und ehe sich die Himmel bildeten. Denn mit dieser Weisheit
mißt die Welt, und mit ihr hat er die Erde geschaffen, und dank ihrer hat er
die Pfade gezogen, auf denen die Sterne wandeln. Ohne sie baust du auf Sand.»
    Davids Hand
zitterte. Er verdrehte die Augen. Salomo half ihm beim Hinlegen. Der Tod setzte
erneut zum Angriff an.
    «Bathseba?»
hauchte der König, «rufe auf der Stelle den Kronrat zusammen… Ich will mit
seinen Mitgliedern sprechen. Mein Sohn bleibt bei mir.»
    Davids
Gemahlin schickte sofort nach den drei Mitgliedern, aus denen der Kronrat
bestand: Nathan, dem Lehrer, Zadok, dem Hohepriester, und Banajas, dem
Heerführer. Letzterer war ein Koloß, dessen gewaltige Muskulatur in krassem
Gegensatz zur Magerkeit des Hohepriesters stand. Jedermann wußte, daß Banajas
zum mächtigsten Mann Israels geworden war. Ohne seine Zustimmung würde der
künftige König nur ein waffenloser Hampelmann sein. Der oberste Heerführer
sprach fast nie. Er hatte David mit unerschütterlicher Treue gedient, doch
niemand wußte, wie er über die Nachfolge dachte.
    David bat
Salomo, ihn aufzurichten, obwohl ihm diese Lage furchtbare Schmerzen bereitete.
Er wollte wie ein Herrscher sprechen, nicht wie ein Sterbender.
    «Euch, die
ihr mein Kronrat seid», äußerte er mit beinahe erbitterter Energie, «verkünde
ich meinen allerletzten Beschluß: Salomo ist Israels neuer König. Sollte es
jemand wagen, sich diesen Titel anzueignen und ihm nicht den Treueeid zu
schwören, so soll er hingerichtet werden.»
    Zadok neigte
als erster den Kopf. Nathan tat es ihm nach. Banajas in seinem Silberharnisch
schien noch zu überlegen. Bathseba bekam einen trockenen Mund. Falls der
Heerführer einen anderen Anwärter gewählt hatte, würde er schon bald Davids
Angehörige über die Klinge springen lassen.
    «Der Wille
des Königs ist Gottes Wille», sagte Banajas mit rauher Stimme. «Salomo möge
befehlen, ich werde gehorchen.»
    David
lächelte. Auf einmal zeigte sein Gesicht wieder den Liebreiz, dem niemand
widerstehen konnte. Der Zauberer warf die häßliche Maske des Todes ab, der auf
ihn wartete.
    «Zieht euch
zurück… du, Salomo, bleibst.»
    Als sie
allein waren, stieß der König seinen Sohn schroff zurück. Salomo staunte über
diesen Wandel in seiner Haltung, merkte aber, daß ein beinahe jugendliches Leuchten
in die Augen seines Vaters getreten war und daß sie etwas irre blickten.
    «Meine
letzten Minuten gelten dir, mein Sohn… versprich mir, daß du mir gehorchst.»
    «Ich bin dein
Diener…»
    «Nein,
Salomo! Du bist jetzt König. Dein einziger Herr ist Gott. Aber ich, dein Vater,
ich habe eine Bitte an dich.»
    Der Sohn
Davids fiel auf die Knie und ergriff die Hände des Sterbenden, dessen Atem
kürzer und immer kürzer ging.
    «Sprich, und
ich will sie erfüllen.»
    «Gottes Gnade sei mit dir,
Salomo… Du kannst mir den Frieden schenken, den ich brauche… Du weißt, daß
Joab, dieser schändliche Verräter, Menschen getötet hat, die mir teuer waren,
darunter auch einen meiner Neffen. Räche mich, Salomo!
    Wende das
Gesetz an: Auge um Auge, Zahn um Zahn, Leben für Leben. Beseitige diesen
Mörder. Als König bist du oberster Richter. Du handelst, wie es dir weise
dünkt… aber um deiner Liebe zu mir willen, um deines Amtes willen laß die
weißen Haare Joabs nicht friedlich in die Grube fahren.»
    Davids Stimme
brach. Sein Oberkörper fiel vornüber. Gott kam und holte die Seele des Dichters
mit der Honigstimme zu
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