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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem
Autoren: Christian Jacq
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habe ich dich holen lassen.»
    «Die Bundeslade ist wieder in
Jerusalem. Das wird ihn retten.»
    «Möge Gott
dich erhören.»
    Ganz kurz
erklang in Salomos Kopf die Stimme aus der Höhle. Doch er konnte sich so weit
beherrschen, daß man ihm nichts anmerkte.
    «Kann ich ihn
sehen?»
    «Dein Vater
erwartet dich», antwortete Nathan.
    Der Lehrer
führte Salomo in ein kleines Zimmer mit nackten Wänden. Dort saß Bathseba auf
einem kleinen Schemel, hatte die Augen geschlossen und schien zu schlafen. Als
ihr Sohn eintrat, erhob sie sich und nahm ihn in die Arme.
    «Salomo,
endlich!»
    «Mutter, ich
konnte nicht schneller kommen.»
    «Ich mache
dir keinen Vorwurf. Ich habe nur solche Angst gehabt…»
    «Warum?»
    «Das Böse
schleicht sich an, mein Sohn. Israel ist in Gefahr. David ist noch nicht tot,
und schon rufen sich gewisse Leute zum König aus!»
    Die, welche
das Volk ‹die Erhabene› nannte, wirkte mit ihren sechzig Jahren noch immer
außergewöhnlich edel. Zierlich, schlank und mit zarter Miene, hatte sie David
so verlockt, daß er sich ihretwegen Jahwes Mißfallen zuzog. So herrschte sie
nun über einen Hof, den ihr Gemahl im Stich gelassen hatte.
    «Mutter, was
erwartest du von mir? Du weißt genau, daß ich dich gegen jeden Angreifer
schütze, selbst wenn er Thronanwärter wäre.»
    Bathseba ließ
ihren Sohn los. Sie konnte ihre Sorgen nur schlecht verhehlen.
    «Ich liebe
David, und David liebt mich… Wie könnte ich da…»
    «Für Gefühle
ist jetzt keine Zeit», meinte Nathan. «Der König liegt im Sterben. Wenn ihr
nicht ganz schnell handelt, ist es mit Israel vorbei.»
    Bathseba
unterdrückte ihre Tränen, verließ den kleinen Raum und begab sich in das
Schlafgemach, wo ihr Gemahl im Todeskampf lag.
    Vergebens
versuchte Salomo, den Sinn dieser seltsamen Ereignisse zu enträtseln.
    «Nathan, was
geht hier vor?»
    Der Lehrer
hatte eine strenge Miene aufgesetzt.
    «Die Stunde
ist gekommen, dir das Geheimnis zu enthüllen, das ich seit langem mit deiner
Mutter teile. Ein Geheimnis, bei dem es um die Zukunft des Landes geht.»
    Salomo lief
es kalt über den Rücken, und das so jäh, daß er einen Schmerzenslaut von sich
gab.
    «Um was geht
es dabei?»
    «Es geht
dabei nur um dich, Salomo. David hat seiner Gemahlin versprochen, dich zum
Nachfolger auszuerwählen.»
    «Mich?»
    Es verschlug
Salomo die Sprache. Herrscher Israels zu werden, den Thron Davids zu besteigen,
es auf sich zu nehmen, das Volk Gottes auf den Weg der Weisheit zu führen… Dazu
war er nicht im geringsten befähigt.
    «Wer ist auf
diesen verrückten Gedanken gekommen?»
    «Der, der
dich am besten kennt, dein Lehrer. Ich habe seit Kinderzeiten den großen König
in dir gesehen und habe mich deiner Mutter anvertraut. Sie ist zu dem gleichen
Schluß gekommen.»
    «Und mein
Vater…»
    «David hat erkannt, wie
richtig unser Vorschlag ist, und hat sein Wort verpfändet. Heute muß er es
amtlich machen. Folge mir.»
    Salomo wehrte
sich nicht mehr. Benommen von der Kunde, folgte er seinem Lehrer.
    Die beiden
Männer betraten das Schlafgemach des Herrschers.
    David lag
unter einer Wolldecke und hatte die Augen auf die Flamme einer Fackel
gerichtet. Das Parkett aus Zedernholz knarrte unter Salomos Schritten, als er
sich neben seine Mutter an das Kopfende des Bettes stellte.
    Das Gesicht
des Sterbenden war von Leid gezeichnet. Da war keine Spur mehr von seiner
früheren Anziehungskraft geblieben, nur noch die Last seiner siebzig Jahre, die
er mit Lieben, Beten und Kämpfen zugebracht hatte.
    «König von
Israel», sagte Bathseba mit zitternder Stimme, «du hast deiner Dienerin
geschworen, daß mein Sohn Salomo nach dir regieren und auf deinem Thron sitzen
soll. Israel richtet die Augen auf dich. Es wartet darauf, daß du den Namen
deines Nachfolgers bekanntgibst.»
    «Nathan soll
mein Schlafgemach verlassen», befahl David, ohne den Kopf zu bewegen.
    Der Lehrer
gehorchte.
    Der alte
Herrscher richtete sich auf, so als hätte er wie durch ein Wunder seine
ehemalige Kraft zurückerhalten. Er musterte seine Gemahlin.
    «Beim Leben
Gottes, der mich aus aller Not erlöst hat, halte ich das, was ich geschworen
habe. Komm näher, mein Sohn, und gib mir deine Hand.»
    Salomo
gehorchte und staunte, wie fest die Stimme des Königs klang. Er war
mittlerweile davon überzeugt, daß David die Krankheit besiegen und noch viele
Jahre an der Spitze seines Volkes erleben würde.
    Der Sohn
legte die rechte Hand in die seines Vaters, und der drückte sie mit
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