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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem
Autoren: Christian Jacq
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sich.

 
    Kapitel 3
     
     
     
    Die
Schaulustigen rings um die Zisterne
brüllten. Sie ermutigten ihren Meisterkämpfer, Banajas, den mutigsten Mann
Israels. Auf dem Boden eines leeren Schachtes, in glitschigem Schlamm, stand er
einem gefangenen Berglöwen gegenüber. Während der Trauerzeit zwischen Davids
Tod und Salomos Krönung hielt es der oberste Heerführer für geraten, das Volk
abzulenken und ihm zu beweisen, daß einer, der tapferer war als selbst ein
Raubtier, ihre Sicherheit gewährleistete. Banajas glaubte an seine Kraft, seit
er einen ägyptischen Riesen niedergeschlagen, ihm die Lanze entrissen hatte,
mit der dieser ihn bedrohte, und ihm den Schädel mit Knüppelhieben zertrümmert
hatte. Zwar bluteten seine Hände, aber dennoch verspürte der Israelit keinerlei
Schmerz. Der Siegesrausch hatte ihn unverletzlich gemacht.
    Der Löwe konnte keinen festen
Stand finden und griff wütend aus seiner ungünstigen Lage an. Banajas, der sich
mit derlei Bodenverhältnissen auskannte, wich den Tatzen aus, ergriff das
Raubtier von hinten und drückte ihm den Hals im Schraubstock seiner gewaltigen
Hände und steinharten Finger zu. Das Siegesgeschrei vermischte sich mit dem
Todesgeröchel des Tieres.
    Die Menge
jubelte Banajas zu. Er hatte kaum Zeit, sich zu waschen und anzukleiden, weil
er in den Palast mußte, wohin Salomo ihn bestellt hatte. Als er die Straße
entlangging, die zur königlichen Residenz führte, grüßten ihn zahlreiche Stadtbewohner.
    Salomo
empfing Banajas in einem schmucklosen Arbeitszimmer. Beide Männer standen. Der
Soldat spürte, daß der Sohn Davids, der eine blaue, schlichte Tunika trug,
nicht mehr der elegante Prinz war, der nur an Gedichte dachte. Seine selbst für
einen so jungen Mann ernste Miene verriet, daß er sich große Sorgen machte.
    «Hast du dich
entschieden, Banajas, willst du mir dienen, wie du meinem Vater gedient hast?»
    «Majestät,
ich stamme aus einer Soldatenfamilie und bin am Rand der Wüste geboren, wo man lernt,
zu kämpfen und sein Leben zu verteidigen.»
    «Ich ernenne
dich zum obersten Führer meines Heeres», verkündete Davids Sohn, «und zum
Obersten meiner Leibwache. Wir werden uns noch häufig unterhalten. Entferne
dich nicht von meinem Hof, denn ich könnte dich von einem Augenblick auf den
anderen brauchen.»
    Banajas
verspürte einen unbändigen Stolz. Gewiß, David hatte ihn zu würdigen gewußt,
doch Salomo würde seinen wahren Wert ermessen.
    «Beim
geheiligten Namen Jahwes», schwor er, «verpflichte ich mich, meinem Gebieter in
Freud und in Leid die Treue zu halten.»
    Salomo
frohlockte heimlich. Das hier war der erste Sieg seiner Herrschaft. Aber wie
konnte er noch echte Freude empfinden, da ihn die entsetzliche Bitte seines
verstorbenen Vaters so verfolgte?
    «Banajas, ich
muß mich mit dir beraten.»
    Der neue
Heeresführer sagte ein wenig barsch: «Gebieter, ich bin ein erfahrener Krieger,
aber kein Ratgeber eines Königs.»
    Salomo
ergriff Banajas beim Arm und zog ihn aus dem Arbeitszimmer. Sie durchschritten
einen Flur und näherten sich einer Terrasse, die die Wohnungen der Reichen
überragte. Weiße Mauern schimmerten in der Sonne. Der Tag neigte sich dem Ende
zu, doch die Stadt war noch immer unruhig. Würde sie bald einen Herrscher
bekommen, der auch herrschen konnte?
    «Banajas,
welches sind die Verbrechen, die Gott straft? Auflehnung gegen Ihn,
Götzenanbetung, Gotteslästerung, das Passahfest nicht feiern, den Sabbat nicht
heiligen, den Sohn nicht beschneiden, Schwarzer Magie frönen… Aber ist es ein
Verbrechen, den Befehl des Königs auszuführen?»
    «Gewiß
nicht!» protestierte der oberste Heerführer.
    «Falls du so urteilst,
Banajas, dann finde Joab, Davids Feind.»
    «Und wenn ich
ihn gefunden habe…»
    «Dann führt
dein Arm mein Urteil aus: Tod.»
    «Gebieter,
noch ehe die Sonne des morgigen Tages aufgeht, werde ich dich zufriedengestellt
haben.»
    Als Banajas
gegangen war, hätte Salomo seine Not am liebsten hinausgeschrien. Er hatte
keine andere Wahl. Wie hätte er sich weigern können, Davids letzten Wunsch zu
erfüllen?
    Der künftige
König Israels speiste in Gesellschaft seiner Mutter, doch er rührte keinen
Bissen an, schickte die Musikanten fort und befahl dem ganzen Palast völliges
Schweigen.
    «Mein Sohn,
warum quälst du dich so? Gott hat gewollt, daß du David auf den Thron folgst.
Alles Aufbegehren ist vergebens. Achte seinen Wunsch, dann hast du friedliche
Tage. Erlaube mir… erlaube mir, dir eine Bitte
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