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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem
Autoren: Christian Jacq
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Sohn Davids noch keine Kritik an der Art und
Weise geübt, wie Israel regiert worden war. Für ihn war Schweigen Gesetz
gewesen. Das Amt jedoch, das Jahwe ihm anvertraut hatte, zwang ihn zu einer
klaren Sicht, auch wenn diese Einsichten schmerzlich waren, worum aber nur er
wußte.
    Wer war der
berühmte König Saul gewesen? Ein Bauer, der sich von den Früchten des Feldes
ernährte, seine Herden selbst weidete, gern unter freiem Himmel schlief und
Israel schlicht als fruchtbaren Acker betrachtete. Die Welt da draußen
interessierte ihn nicht. Andere Völker waren nichts als Plünderer, die ihn
berauben wollten.
    Was war David
gewesen, wenn nicht ein Hirte und vernarrt in ländliche Tänze und bäuerliche
Spiele, ein unersättlicher Liebhaber, der die überlieferte Lebensart der
Hebräer bewahrt und die Welt vergessen hatte, die sich rings um ihn verändert
hatte? Wie seine Vorgänger hatte auch David sein Land für eine Insel gehalten,
die sich aus einem feindlichen Meer erhob.
    Salomos erste
Aufgabe bestand darin, einen neuen Palast zu bauen. Israels König konnte nicht
in einer so bescheidenen Behausung wohnen, die sich kaum von denen seiner
reichen Höflinge unterschied. Er mußte der Monarchie den Glanz verleihen, der
ihr zukam. Der Gebieter des hebräischen Staates durfte nicht mehr mit einem
Stammeshäuptling verglichen werden.
    Salomo setzte
sich auf die Stufen der Treppe, die zur königlichen Kapelle führte, auch diese
so karg und kahl, daß Gott wohl kaum Lust hatte, dort Wohnung zu nehmen. Doch
David hatte sich hartnäckig geweigert, ein anderes Heiligtum zu bauen. Die
Bundeslade war sicher aufgehoben, warum also nach Höherem streben?
    Der König
machte einen Bogen um den Schatten einer Eberesche, in der sich gern böse
Geister versteckten. Er mußte sich überlegen, wie er seine Regierung
organisierte, mußte enge Ratgeber mit Weitblick ernennen, die ihren Ehrgeiz für
Israel hinter ihren persönlichen stellten. Dieser Entwurf erschreckte Salomo.
Besaß er den Wagemut, seine Pläne auszuführen? Würde er nicht auf so heftige
Gegenwehr stoßen, daß man ihn zum Aufgeben zwingen konnte?
    Eine Frau
setzte sich neben ihn.
    Es war seine
Mutter Bathseba bar allen Schmucks, denn sie war noch in Trauer.
    «Du bist dem
bösen Schatten ausgewichen, mein Sohn. Also wird sich deine Herrschaft im
hellen Licht entfalten. Denk immer daran, daß die Menschen, auch deine
Untertanen, das Dunkel vorziehen.»
    «Mutter, du
sollst zu meiner Rechten sitzen. Du, Israels erhabene Herrin, sollst weiterhin
deinen Einfluß auf den Hof ausüben.»
    «Nein, mein
Sohn. Das ist genau das Thema, das ich unverzüglich mit dir ansprechen wollte.
Ich bin mit der Ehre zufrieden. Du bist nicht König geworden, damit du deine
Macht teilst. Du, und nur du allein, triffst die Entscheidungen. Meine
Ratschläge würden dir nur lästig sein. Ich habe einen schwerwiegenden Fehler
gemacht und gehöre in eine abgelaufene Zeit, in die Ära Davids, über die du im
tiefsten Herzen sehr hart urteilst.»
    Salomo
protestierte nicht.
    «Bis heute»,
so fuhr sie fort, «glaube ich, daß ich die Wirklichkeit im Blick gehabt habe.
Jetzt bin ich Davids beraubt und brauche Ruhe. Gestatte mir, daß ich mich in die
Stille des Palastes zurückziehe.»
    Salomo hatte
keine Lust, Bathseba dazu zu zwingen, einen Entschluß zu ändern, den sie sich
reiflich überlegt hatte.
    Sie öffnete
die rechte Hand, in der ein Goldring lag, und steckte ihn ihrem Sohn an den
kleinen Finger der linken Hand.
    «Ein goldener
Apfel auf silberner Ziselierung», sagte Bathseba, «das ist das Wort der Weisen.
Ist es nicht genauso vollkommen wie dieser Ring, der David gehört hat und vor
ihm unserem Vorvater Adam? Hüte ihn gut, Salomo. Wenn du ihn auf dem Finger
drehst, kennst du die Botschaft des Windes von jenseits der Berggipfel. Dein
Geist wird über diese Paradiese schweifen, wo ständig Ernten reifen und an den
Weinstöcken Perlen wachsen. Du wirst die Sprache der Vögel sprechen, die
Absichten der Lebewesen erkennen, die dir ihre Herzen unterwerfen. Wilde Tiere
werden sich zu deinen Füßen legen und dir die Sandalen lecken. Dieser Ring
bedeutet die Macht. Er wird dir so lange dienen, wie du Gott gehorchst. Deine
Gedanken werden von einem Ende der Welt zum anderen und bis in den Himmel
reichen. Wenn du jedoch den Weg der Weisheit verläßt, wirst du zum Elendesten
der Elenden. So will es das Schicksal der Könige.»
    Salomo
musterte den seltsamen Gegenstand eingehend. Er stellte
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