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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem
Autoren: Christian Jacq
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    Kapitel 1
     
     
     
    Liebkosend
fuhr Salomos Hand über die Bundeslade.
Von allen Kindern Davids durfte nur er diese Geste wagen, ohne daß ihn die
geheimnisvolle Kraft, die dieses Heiligtum ausstrahlte, das die Gesetzestafeln
barg, niederstreckte wie ein Blitz.
    Die
Bundeslade sollte etliche Tage in Schilo, mitten im Herzen von Judäa, der
Provinz der Könige, bleiben, wo Abraham den wahren Gott verehrt hatte, den
Einen Gott, der dem Schicksal der Menschheit einen anderen Lauf gegeben hatte,
als er Israel zum auserwählten Volk machte. Schilo war Davids erste Hauptstadt
gewesen, ehe er sich in Jerusalem niederließ. Der alte König wollte, daß die
Bundeslade in regelmäßigen Abständen reiste und die Hebräer daran gemahnte, daß
sie Nomaden bleiben würden, die auf der Suche nach Gottes Sohn waren.
    Salomo war
beauftragt worden, dieses kostbarste aller Tabernakel zu schützen. Und so hatte
er Jerusalem an der Spitze eines Trupps Soldaten der Leibwache verlassen, hatte
bei der Höhle von Machpela haltgemacht, wo die Patriarchen ruhten, war zwischen
Weinbergen dahingefahren, in denen reife Trauben hingen, und hatte sich
angesehen, wie sich die Weinberge in Terrassen an den trockenen und steinigen
Hängen hochzogen. In Judäa hinderte nichts den Blick. Der Horizont mit seiner
unermüdlichen Sonne wirkte falbfarben. Beim Reiten wurde eine Staubwolke
aufgewirbelt, die sich im Geäst eines Zitronenbaums niederschlug.
    Schilo war
das Ziel der Expedition. Die kleine Stadt, die auf dem Stammesgebiet der Ephraim
erbaut worden war, brüstete sich damit, die Bundeslade seit der berühmten
Schlacht gegen die Philister in ihren Mauern aufgenommen zu haben. Das
Heiligtum Jahwes war mitten ins Schlachtgetümmel getragen worden, hatte für die
Gegenwart Gottes gezeugt und Israel unter großem Schmerzensgeheul und
Jubelgeschrei den Sieg eingetragen.
    Das Geheul
und das Geschrei verfolgten Salomo. Der Krieg, die Gewalttätigkeit, das Blut…
War sein Volk zu diesem Elend verurteilt? War Jahwe noch immer der Rachegott,
der nach kriegerischen Auseinandersetzungen lechzte?
    Salomo, ein
junger Prinz von zwanzig Lenzen und verführerischer Schönheit, quälte sich mit
sonderbaren Gedanken. Bei seiner Geburt hatten die Weisen vorausgesagt, daß
seine hohe Stirn ein Sitz der Weisheit sein, keine Runzel sein Gesicht
verunstalten würde und daß seine Züge nie altern würden. Seit frühester Jugend
hatte Salomo eine gelassene Kraft und natürliche Autorität ausgestrahlt, die
seine Gesprächspartner in Bann schlugen.
    Wer wäre da
auf den Gedanken gekommen, welch heftiger Sturm in ihm tobte und ihn gleichsam
zum ruderlosen Boot machte? Salomo fand keinen Schlaf mehr. Er verlor seine
angeborene Lust am Lernen und an der Dichtkunst. Selbst das Gebet verschaffte
ihm keinerlei Ruhe mehr.
    Die dritte
Nachtwache ging zu Ende. Nach der des Sternenaufgangs und der Mitternachtswache
kam die letzte, die des Sonnenaufgangs. Salomo war in der Nähe der Bundeslade
geblieben und hatte den HERRN angefleht, Israel Frieden zu schenken. Warum
mußten die Bewohner der Dörfer vor Angst zittern, warum mußten so viele von
ihnen durch das Schwert sterben, warum wurden ihre Häuser geplündert und in
Brand gesteckt, warum mußte alles, was da atmete, umgebracht werden? Warum
mußten sich die Stämme gegenseitig umbringen, warum führte Israel Krieg mit
seinen Nachbarn?
    Diese Fragen
hatte sich Salomo wohl hundertmal gestellt.
    Doch Gott
hüllte sich in Schweigen.
    Als jedoch
die ersten Sonnenstrahlen den morgendlichen Dunst durchdrangen, wagte es Davids
Sohn, die Hand auf die Bundeslade zu legen.
    Da Jahwe ihn nicht vernichtet
hatte, mußte er sein Gebet erhört haben. Noch ein Tag, noch eine Nacht, und er
würde ihm antworten.
    Salomo
betrachtete die Bundeslade.
    Die Energiequelle, aus der
Israel seine Kraft zog, war ein Kasten aus Akazienholz von eineinhalb Ellen
Höhe und zweieinhalb Ellen Länge, war innen wie außen mit lauterem Gold
überzogen und wurde von den Flügeln der Cherubim beschützt, auf denen Jahwe,
der auf den Wolken fuhr, unsichtbar thronte. Er benutzte die Wolken als
Streitwagen und fuhr mit ihnen bis zum Garten Eden, dessen Tore geflügelte
Löwen mit Menschenkopf bewachten, eine Verkörperung der Wachsamkeit, die
keinerlei Schwächen aufwiesen.
    Salomo war versucht, das
Heiligtum zu öffnen, die beiden Steinplatten herauszuholen, auf denen die Zehn
Gebote eingraviert standen, der Bund vom Sinai, durch den Israel Jahwes treuer
Diener
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