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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem
Autoren: Christian Jacq
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der
Bruderschaft ging zu Ende. Meister Hiram gab jedem Mitglied den Friedenskuß.
Als der syrische Maurer vor dem Oberbaumeister stand, konnte er nicht
widerstehen und stellte ihm die Frage, die ihn so sehr beschäftigte.
    «Zähle auch
ich zu den erwählten Gesellen?»
    Im Blick des
Oberbaumeisters lag so viel Zorn, daß der Syrer Angst bekam und einen Schritt
zurückwich.
    «Diese Worte
schließen dich für lange Zeit aus dem kleinen Kreis der künftigen Meister aus.
Gib dich damit zufrieden, dein Handwerk rechtschaffen auszuüben. Die Meister
werden es schon merken, wann du der größten Geheimnisse unserer Bruderschaft
würdig bist. Vergiß deinen Ehrgeiz. Er führt dich nur ins Verderben.»
    Wie seine Brüder
verbeugte sich der Syrer und wurde von Meister Hiram umarmt.

 
    Kapitel 54
     
     
     
    Salomo schritt hinter den Soldaten seiner Leibwache von seinem Palast in das Lager der Königin
von Saba hinunter. Ein Gaffer hatte auf ihn aufmerksam gemacht, und schon scharte
sich eine Menge an dem langen Weg, den der König eingeschlagen hatte. Sie
jubelte ihm begeistert zu, doch er blieb ungerührt. Balkis’ Einladung
beunruhigte ihn. Ihr Haushofmeister hatte ihn zu einem Festmahl geladen, bei
dem sie ihm einen der seltensten Schätze schenken wollte. Was verbarg sich
hinter diesem ungewohnten Ritual?
    Im Inneren
des königlichen Zeltes lagen rote und grüne Seidenpolster verstreut. Lässig und
fast verlassen verspeiste Balkis die roten Beeren einer Weintraube. Es waren
zahlreiche Plätze für weitere Festgäste vorgesehen, doch alle waren leer.
    Der Haushofmeister ließ die
Tür aus Zeltleinwand herunter.
    «Mach es dir
bequem, König von Israel, und teile dieses Essen mit mir.»
    Auf dem Tisch
in der Mitte standen gebratenes und gewürztes Fleisch, in Tongefäßen über Dampf
gegartes Gemüse, Berge von Kuchen und Obst.
    «Der Wein aus
Judäa ist köstlich, doch er ist nicht so fruchtig wie der aus Saba, von dem ich
noch mehrere Krüge habe. Möchtest du ihn kosten?»
    «Hast du mich
zum Vorkoster erkoren?»
    «Du bist
heute aber streng. Früher warst du liebenswürdiger.»
    «Welchen
märchenhaften Schatz möchtest du mir hinterlassen?»
    Balkis erhob
sich anmutig und legte die Traube auf einen Silberteller. In ihren Augen las
er, daß sie halb belustigt war, weil sie einen Herrscher mit so großer Macht
herausfordern konnte, und halb verzweifelt, weil sie gescheitert war.
    «Meine
Abreise, Salomo. Ihr Wert ist unschätzbar. Sie wird dir wieder die Heiterkeit
und Liebe deiner Gemahlin schenken.»
    Eine kleine Falte erschien
auf der Stirn des Königs.
    «Glaubst du,
daß du eine Leidenschaft durch Entfernung töten kannst?»
    «Du liebst in
mir doch nicht die Frau, sondern die Königin. Und von der erwartest du einen
Friedensvertrag, der den Frieden festigt, dem du dein Leben geweiht hast. Ich
werde diesen Vertrag unterzeichnen. Diesen Sieg lasse ich dir.»
    Salomo
schenkte Wein in zwei Goldpokale. Balkis nahm den, den er ihr reichte.
    «Wenn du
Israels Herrscherin würdest, wir könnten zusammen ein Riesenreich regieren.»
    «Du würdest
regieren, Salomo. Du und nur du allein. Ich wäre gezwungen, mich deinen
Entscheidungen zu beugen und dir zu gehorchen. Ich mag aber weder eure
Gebräuche noch eure Religion annehmen. Die meinen reichen mir. Bündnis, ja,
Abhängigkeit, nein. Für immer von dir geliebt zu werden, ja. An deiner Seite
als Sklavin alt zu werden, nein.»
    Balkis setzte
sich. Salomo tat es ihr nach und ergriff ihre Hände.
    «Hast du denn
kein Vertrauen zu mir?»
    «Wäre ich
meines Amtes würdig, wenn ich einer solchen Schwäche nachgeben würde? Trink,
Salomo. Trink auf unsere letzte Begegnung. Fern voneinander können wir eine
harmonische Verbindung pflegen. Zusammenleben würde uns zerstören.»
    «Ich weigere
mich. In meinem Palast erwartet dich ein Becher. Damit trinkst du auf unsere
Liebe! Wenn die Sterne am Himmel stehen und die Fackeln angezündet sind, die
unser mit Seide ausgeschlagenes Gemach erhellen, wird sich dein Herz öffnen.»
    Salomo meinte,
die Königin schwanken zu sehen. Doch ihre Stimme blieb gelassen.
    «Es gibt eine Zeit zu
lachen», sagte sie, «und eine Zeit zu weinen, eine Zeit zu lieben und eine
Zeit, sich zu erinnern, eine Zeit zu leben und eine Zeit zu sterben. Wenn du
das Morgenopfer feierst, bin ich für alle Zeiten fort.»
    Salomo war
sich sicher, daß Balkis ihn liebte. Doch er wußte auch, daß sie ihren Entschluß
nicht ändern würde.
    «Sag mir die
Wahrheit.
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