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Der Tempel zu Jerusalem

Der Tempel zu Jerusalem

Titel: Der Tempel zu Jerusalem
Autoren: Christian Jacq
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und
schmerbäuchig, machte mit seiner Redseligkeit Eindruck auf den phönizischen
Tischler, einen kleinen, verschlagenen Mann mit schmalem, schwarzem
Schnurrbart, und auf den hebräischen Schmied, einen alten Handwerker mit weißem
Haar und stockender Rede. Die Gesellen in Hirams Bruderschaft beklagten sich
über die zu strenge Hierarchie, die Hochnäsigkeit und daß die Meister sie zu
hart arbeiten ließen.
    «Wir hätten schon seit langem
Meister sein müssen», meinte der Maurer. «Ich kenne mich in meinem Beruf
bestens aus. Ich könnte jeden Bruder darin anlernen. Es ist eine
Unverschämtheit von Hiram.»
    «Bislang habe
ich noch nie aufbegehrt», machte der Tischler weiter, «aber irgendwann ist das
Maß voll.»
    «Ganz meine Meinung»,
schloß der Schmied. «Bislang habe ich geglaubt, daß Hiram ein außergewöhnlicher
Baumeister ist. Aber weil er unsere Verdienste nicht zu würdigen weiß, ist das
Gegenteil der Fall. Er ist ein vaterlandsloser Geselle.»
    «Stammt er
nicht aus Tyros?»
    «Dafür weiß
er zuviel… seine Methoden und seine Lehren gleichen denen eines ägyptischen
Baumeisters.»
    «So einen
hätte Salomo nicht genommen!»
    «Ist doch
einerlei», fiel ihm der syrische Maurer ins Wort. «Hiram besitzt uralte
Geheimnisse, die den Meistern Macht und Geld eintragen. Wir haben ihm nun
mehrere Jahre gehorcht, er schuldet es uns, daß er uns zu Meistern macht.»
    «Stimmt»,
meinte auch der Schmied. «Und wie bringen wir ihn dazu, daß er es tut?»
    «Wir müssen
mit ihm reden. Wir müssen ihn überzeugen.»
    «Und wenn er sich weigert,
uns anzuhören?»
    «Dann wenden
wir Gewalt an. Hiram ist auch nur ein Mensch. Er wird schon nachgeben.»
    «Der nicht»,
hielt der Tischler dagegen. «Salomo wird uns hart bestrafen.»
    Der Syrer
lächelte.
    «Aber nicht
doch. Ich habe mich lange mit dem Hohenpriester Zadok unterhalten. Der hat mir
erzählt, daß die Freundschaft zwischen dem König und dem Baumeister allmählich
zerbricht. Salomo möchte die Kontrolle über die Bruderschaft übernehmen. Es
wird ihm Genugtuung bereiten, wenn Hiram Schwierigkeiten bekommt. Wenn wir erst
Meister sind, schaffen wir es vielleicht, die anderen Meister dazu
herumzubekommen, diesen hochnäsigen Baumeister loszuwerden und uns dem Befehl
von Israels König zu unterstellen.»
    Der Maurer
hatte den Phönizier und den Hebräer mit seinen Worten überzeugt. Ihre Zukunft
war vorgezeichnet.
    Am Ende der
Herbstfeierlichkeiten verließen die Gläubigen Jerusalem und zogen in ihre
Provinzen zurück. Meister Hiram rief die gesamte Bruderschaft am Jordanufer
mitten in der Einsamkeit einer wilden Natur zusammen. Mehrere tausend Arbeiter
versammelten sich. Ihre Zahl war überraschend und zugleich beunruhigend schnell
gewachsen.
    Die meisten
unter ihnen waren nur Handlanger, die von den Lehrlingen an ganz bestimmte
Aufgaben gesetzt wurden. In einer kurzen Rede forderte der Baumeister Geduld
und Mut von ihnen. Wenn sie sich bescheiden und ehrerbietig erwiesen, würde man
sie in die ersten Geheimnisse der Bruderschaft einweihen.
    Diese jungen
Männer klatschten dem Oberbaumeister sofort Beifall. Viele unter ihnen würden
trotzdem durchfallen. Doch Hirams Stimme machte jedem Lust auf Erfolg.
    Nachdem die
Handlanger gegangen waren, teilte der Baumeister das Brot mit den Meistern, den
Gesellen und den Lehrlingen. Man schenkte Wein in Becher und trank gemeinsam
auf die ruhmreiche Kunst des Bauzeichnens. Der syrische Maurer, der phönizische
Tischler und der hebräische Schmied bedeuteten sich, daß sie den Meistern und
insbesondere Hiram beflissen aufwarten mußten, damit es dem Leiter der
Bruderschaft beim Festmahl nicht an gebratenem Fleisch und Honigkuchen fehlte.
    Gegen Ende
des Festmahls ergriff der Baumeister das Wort. Er zählte die von der
Bruderschaft vollendeten Bauwerke auf und begann mit Jahwes Tempel und Salomos
Palast, alsdann erinnerte er an die Baustellen, die Gießereien, die
Werkstätten, in denen seine Brüder gelernt hatten, die Materie in den Griff zu
bekommen, um aus ihr auch die verborgenste Schönheit herauszuholen. Gemeinsam
hatten sie Israel mit den ersten Gebäuden verschönt. Weitere Erfolge zeichneten
sich ab.
    Der
beschauliche Herbstabend trug dazu bei, daß Hirams Worte noch ernster klangen.
Er kündigte an, daß er den neun Meistern neue Aufgaben übertragen hatte.
Einstimmig würden sie die Gesellen auswählen, die beim Frühlingsneumond in die
großen Geheimnisse eingeweiht werden würden.
    Das Fest
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