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Der Tag an dem ich cool wurde

Der Tag an dem ich cool wurde

Titel: Der Tag an dem ich cool wurde
Autoren: Juma Kliebenstein
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Gestalt auf.
    Sie blieb abrupt am Rand des Lichtkreises stehen. Ich konnte nichts erkennen. Man hörte nur ein Keuchen.
    »D-d-da«, sagte ich und zeigte mit dem Finger auf das, was da stand und schwer atmete.
    Alle starrten wie gebannt auf die Gestalt, die jetzt in den Lichtkreis trat.
    Ich wartete nur darauf, einen Totenschädel zu sehen und vor Schreck einen Herzschlag zu bekommen.
    Das, was dann im Licht der Lampe erleuchtet wurde, war aber kein Totenschädel.
    Es war Lucas’ Gesicht.
    Ich weiß nicht, wer erschrockener guckte, er oder wir. Noch bevor jemand etwas sagen konnte, hörten wir wieder das Brüllen. Man konnte deutlich eine wütende Männerstimme ausmachen. Ich wusste sofort, wer da brüllte.
    Lucas blieb stehen wie angewurzelt, er wandte nur den Kopf in die Richtung, aus der das Gebrüll kam, und dann schaute er wieder zu uns. Seine Augen waren riesig groß. Unter dem rechten war ein blauer Fleck zu sehen.
    »Wo bist du, verdammte Brut«, hörten wir den Mann rufen. Er konnte nicht mehr weit weg sein.
    Ich sprang auf.
    »Los, da rein!«, zischte ich Lucas zu und deutete auf unser Zelt. »Mach schon!«
    Karli schaltete schnell und öffnete den Reißverschluss.
    Lucas zögerte einen winzigen Moment, dann sprang er wie ein gehetztes Tier an uns vorbei und verschwand im Zelt. Karli zog den Reißverschluss runter und ließ sich wieder neben mich auf den Boden fallen.
    Keine Sekunde zu früh.
    Es knackte.
    Lucas’ Vater stand vor uns.
    Sein Gesicht war vor Wut so verzerrt, dass es tatsächlich fast einem Totenkopf glich.

    »Habt ihr einen Jungen vorbeilaufen sehen?«
    Wir schüttelten den Kopf.
    »Nein«, sagte ich.
    Lucas’ Vater kniff die Augen zusammen und betrachtete mich misstrauisch. »Dich kenne ich doch von irgendwoher... Bist du nicht in der Klasse von meinem Sohn?«
    »Stimmt«, sagte ich. Klar, er konnte sich an mich genauso gut erinnern wie ich mich an ihn. Zumal ich ja nicht gerade unauffällig bin und das letzte Klassenfest noch nicht allzu lange her war.
    »Wo ist Lucas?«, fragte er. »Er muss hier vorbeigekommen sein. Hier verläuft der Weg.«
    »Keine Ahnung«, sagte ich. »Wir haben ihn nicht gesehen.« Dieser Kerl war so widerlich, dass ich überhaupt kein Problem damit hatte, zu lügen.
    »Wenn wir sagen, dass er nicht hier war, war er nicht hier«, hörte ich Karlis hohe Stimme. »Dahinten hat was geraschelt, aber gesehen haben wir nichts.« Karli deutete auf einen unbestimmten Punkt in der Finsternis.
    Lucas’ Vater musterte uns. Ich merkte, dass er uns nicht glaubte.
    Ich nahm all meinen Mut zusammen.
    »Wenn Sie wissen, dass ich in Lucas’ Klasse bin, dann wissen Sie sicher auch, dass wir keine Freunde sind. Im Gegenteil, man könnte auch sagen, wir sind Todfeinde. Warum sollten wir ihn also verstecken?«
    »Genau!«, sagte Karli. »Wir hätten ihn höchstens festgehalten und auf Sie gewartet.«
    Der Mann verzog sein Gesicht zu einer Grimasse und lachte verächtlich.
    »Was soll’s«, sagte er und sah Karli und mich mit einem widerlichen Grinsen an. »Von mir aus kann er abhauen, wohin er will. Der taucht schon wieder auf, wenn er Hunger hat.« Er drehte sich brüsk um und stapfte zurück in Richtung der Grundstücke. Es raschelte noch einmal, dann hörten wir ein paar schwere Schritte über knackende Äste, die immer leiser wurden, bis schließlich alles wieder so still war, als wäre nie etwas geschehen.
    Luna fand als Erste die Worte wieder.
    »Was für ein unglaubliches Ekel«, sagte sie.
    Ich ging zu unserem Zelt.
    »Du kannst rauskommen«, sagte ich und zog den Reißverschluss auf.
    Ich konnte Lucas im Halbdunkel kaum erkennen. Er saß auf dem Boden und hatte den Kopf gesenkt. Er antwortete nicht.
    »Lucas«, sagte ich etwas lauter. »Er ist weg.«
    Lucas sagte immer noch kein Wort, aber er richtete sich auf. Ich machte ihm Platz, damit er herauskrabbeln konnte.
    Als das Licht auf ihn fiel, erschrak ich schon wieder (zum ich weiß nicht wievielten Mal in dieser Nacht), denn er hatte einen Ausdruck im Gesicht, den ich noch nie zuvor bei ihm gesehen hatte. Es war eine Mischung aus Angst und Hilflosigkeit.
    »Mann«, quiekte Karli. »Das war knapp.«
    »Du Ärmster«, sagte Stella. »Ist der immer so?«
    Da schien Lucas wieder zur Besinnung zu kommen.
    »Nee«, sagte er. »Geht schon.«
    Er sah Karli und mich an.
    »Danke«, sagte er. Und verschwand in der Finsternis.
    Wohin wollte er denn? Er konnte doch nicht zu diesem Ekel zurück? Oder alleine in den Wald?
    »Hey!«,
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