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Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
Autoren: Paul McAuley
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Sees aufragen. »Nein«, sagte sie, weil sie eine Falle befürchtete. »Wir lassen ihn hier liegen. Und werfen Sie auch diesen albernen Stab weg.«
    Avernus’ Lächeln hinter der Sichtscheibe ihres Helms wurde von den Spiegelungen roter und grüner Anzeigelämpchen überlagert. Sie streckte ihre Arme zu beiden Seiten ihres Körpers aus und nahm eine Pose wie bei einer Kreuzigung ein. Dann öffnete sie die Hand und ließ den Stab an der steilen Flanke der Anhöhe hinab in den See fallen.
    Sri wusste sofort, dass sie einen Fehler gemacht hatte. Aber bevor sie sich rühren oder auch nur einen Ruf ausstoßen konnte, fiel der Stab in das eisige Wasser. Er verursachte kaum ein Kräuseln auf der Oberfläche, als er hinabsank und inmitten der schwarzen Ranken am Grunde des Sees zur Ruhe kam. Die Ranken explodierten in einer Masse von Fäden, die mit erstaunlicher Geschwindigkeit in die Höhe schossen und mit einer Dunstfontäne aus dem See hervorbrachen, die höher als der Kamm des Felsgrats aufspritzte und dabei augenblicklich gefror. Sri und Avernus wurden von einem wirbelnden Schneesturm eingehüllt, der sich sogleich wieder legte. Der See war nun von einem Ende zum
anderen mit einem Gewirr aus schwarzen Drähten gefüllt, die über den Rand hinaus in alle Richtungen weiterwucherten und sich dabei wieder und wieder teilten. Die Drähte wuchsen in die Höhe, verzweigten sich und breiteten sich immer weiter aus, wie die Zeitrafferaufnahme eines wuchernden Dornengestrüpps. Eine Masse von Drähten schoss über den Rand des Felsgrats hinaus und umschlang von beiden Seiten Sris Körper in einer dornigen Umarmung. Sie trat eilig einen Schritt zurück, verlor das Gleichgewicht und fiel flach auf den Rücken. Bevor sie wieder aufspringen konnte, war sie in einem dichter werdenden Kokon gefangen, der sich um Arme, Beine und Oberkörper wickelte und immer fester wurde, je mehr sie dagegen ankämpfte.
    »Ich würde Ihnen raten, sich so ruhig wie möglich zu verhalten«, sagte Avernus.
    Die alte Genzauberin stand inmitten einer Wolke aus schwarzen Fäden, die kurz vor ihr innehielten. Als sie einen Schritt vortrat, schob sie die fein verästelten Drähte beiseite, wie jemand, der einen Vorhang öffnet, und in der gefrorenen Wolke hinter ihr blieb ein Hohlraum zurück, der die Gestalt ihres Druckanzugs besaß. Der Anzug musste mit irgendeinem Hemmstoff überzogen sein.
    »Die Tentakeln meiner Eiswürmer enthalten Kapseln, die homolog zu den Desmonemen der Nesselzellen von Hohltieren wie Quallen und Seeanemonen sind«, sagte Avernus, während sie auf Sri hinabblickte. »Wie bei den Hohltieren schießen sie ein Gewirr von Fäden ab, wenn sie stimuliert werden. Die Fäden sind eine Art thermotroper intelligenter Draht, wie er auch in Minen benutzt wird, die ihre Opfer lähmen sollen, anstatt sie zu töten. Sie kriechen auf alles zu, das eine höhere Temperatur aufweist als die Umgebung, teilen sich und haften daran fest. So wie sie jetzt an Ihnen haften. Wenn Sie sich zu viel bewegen, Professor Doktor,
werden die Tentakel der Eiswürmer das spüren, sich zusammenziehen und Sie in den See zerren.«
    »Der Stab«, sagte Sri, ganz benommen vor Verwunderung und Furcht. Sie hielt immer noch die Pistole, aber ihre Hand und ihr Handgelenk waren am Oberschenkel ihres Druckanzugs festgeschnürt.
    »Seine hohle Spitze enthielt eine gesättigte Lösung aus Kaliumchlorid und Prolin, um die Nervenverbindungen der Würmer anzuregen. Und kurz bevor Sie eingetroffen sind, habe ich noch etwas in den See getan, um die Würmer an die Oberfläche zu holen. Normalerweise leben sie tief in den Schloten. Es sind große, träge Geschöpfe von etwa fünf Metern Länge. Sie können sich jahrelang von Ammonium und Wasserstoff ernähren, die von symbiotischen Bakterien gebunden werden. Aber um zu wachsen und sich fortzupflanzen, brauchen sie organische Materie. Ich bin nie dazu gekommen, den Rest des Bioms zu entwerfen, den ich für die Schlote geplant hatte, deswegen müssen sie hin und wieder gefüttert werden. Normalerweise fällen wir ein paar der Schirmbäume«, sagte Avernus. »Aber ein menschlicher Körper eignet sich genauso gut dafür.«
    Sie beugte sich über Yamil Cho, öffnete mit erstaunlichem Geschick seinen Helm und nahm ihn ab. Augenblicklich wurde sein Gesicht von Eisblumen überzogen. Die alte Genzauberin befreite ihn auch von seinem Lebenspack, richtete sich dann auf und begann, die Leiche mit der Spitze eines Stiefels hin und her zu schieben.
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