Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war

Titel: Der stille Krieg - McAuley, P: Der stille Krieg - The quiet war
Autoren: Paul McAuley
Vom Netzwerk:
betrachteten. »Wir werden ihn hier einsperren«, hatte sie gesagt, und wenig später hatte sich Zi Lei über ihn gebeugt und ihm zugeflüstert, sie wisse, dass er ein guter Mensch sei, der lediglich in Verwirrung darüber geraten war, was richtig und was falsch war. Aber möglicherweise hatte er sich das auch nur eingebildet.
    Eine endlose Zeit lang hing er in seinem Kokon und betrachtete die geisterhafte Spiegelung seines Gesichts auf der glänzenden schwarzen Farbe der Schottwand, so wie er in einem anderen Leben sein Spiegelbild in der Brustplatte eines auseinandergenommenen Druckanzugs betrachtet hatte. Das Gesicht, das er jetzt sah, war nicht das Gesicht, mit dem er geboren worden war, aber es war auch nicht mehr länger eine Maske. Die Maske hatte die Haut darunter aufgezehrt. Er war Nummer acht gewesen. Dave #8. Jetzt war er Ken Shintaro. Zweiundzwanzig Jahre alt, geboren in Rainbow Bridge auf Kallisto und gegenwärtig auf einem Wanderjahr, das ihn gerade erst in das Saturnsystem gebracht hatte … Und es hatte Krieg gegeben, aber der Krieg war vorbei.
    Er befreite seinen rechten Arm aus den Gurten, zog sich vorsichtig den Katheder heraus, öffnete den Reißverschluss des Kokons und kletterte hinaus. Er spähte am Rand des steifen Vorhangs vorbei und warf einen Blick in den schmalen Niedergang und auf die mit Vorhängen abgeteilten Kabinen zu beiden Seiten davon. Dann stieß er sich ab und schoss präzise den Gang entlang. In weniger als einer Minute hatte er eine Luftschleuse gefunden, zog sich einen Anzugoverall an und stieg in einen Druckanzug. Er passte ihm nicht besonders gut, aber er würde ausreichen. Er befestigte den Helm an seinem Gürtel, verließ die Schleuse und suchte sich die nächstgelegene Gruppe von Landekapseln. Er schaltete an einer von ihnen den Alarm aus, stieg hinein und startete die Evakuierungssequenz. Die Kapsel war wenig mehr
als ein Sarg mit einem chemischen Antrieb, der sich einmal zünden ließ, aber sie würde ihn an sein Ziel bringen.
    Ein Druckluftstoß katapultierte die Landekapsel aus ihrer Röhre hinaus. Er wartete, bis er die dunkle Masse der Gaias Ruhm hinter sich gelassen hatte, und benutzte dann die Steuertriebwerke der Kapsel, um sie um neunzig Grad zu drehen. Er flog rückwärts über Dione, in seinen gepolsterten Druckanzug gehüllt, und war in das einfache Gehirn der Kapsel eingeklinkt. Die HUD-Steuerung ließ Zahlenreihen über die Sichtscheibe seines Helms wandern. Auf einer kleinen Anzeige sah er die Mondlandschaft, die sich unter ihm ausbreitete, eine Wildnis aus Felsgraten, abgerundeten Hügeln und verzweigten Tälern, die wie ausgetrocknete Flussbetten aussahen. Helle Ebenen waren mit Kratern von jeder erdenklichen Größe übersät, die auf der Westseite einen schmalen Schatten warfen.
    Auf dem bleichen Boden der Krater und dem flachen Land dazwischen glitzerten grüne Funken.
    Zi Lei musste irgendwo dort unten sein, eine von zehntausend Flüchtlingen, die über die Habitate, Oasen und Schutzhütten verteilt waren. Viele von ihnen waren zweifellos immer noch Marisa Bassi und dem Widerstand gegenüber loyal – harte, bedingungslose Kämpfer, die möglicherweise erkennen würden, was er war. Wenn er denn die Landung überlebte. Und nicht von Soldaten oder seinen eigenen Brüdern aufgespürt wurde. Alle möglichen Gefahren erwarteten ihn, und er wusste, dass seine Chance, Zi Lei zu finden, äußerst gering war, und dass sie ihn – selbst wenn er sie fand – möglicherweise zurückweisen würde. Aber das war ihm egal.
    Es zählte nur, dass der Krieg vorbei war.
    Er zündete den Antrieb der Kapsel, und in einem hellen Flammenstrahl stürzte er aus dem Himmel hinab auf den Mond zu. Nichts würde jemals wieder wie früher sein.

Titel der englischen Originalausgabe
THE QUIET WAR
     
     
     
     
     
     
     
     
    Deutsche Erstausgabe: 07/2010
Redaktion: Wolfgang Jeschke
    Copyright © 2008 by Paul McAuley Copyright © 2010 der deutschen Ausgabe und der Übersetzung by Wilhelm Heyne Verlag, München, in der Verlagsgruppe Random House GmbH Titelillustration: Stephan Martinière
     
     
    eISBN : 978-3-641-04675-0
     
    www.heyne-magische-bestseller.de
    www.randomhouse.de
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher