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Der Sternenschwarm

Der Sternenschwarm

Titel: Der Sternenschwarm
Autoren: Brian W. Aldiss
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Kristallpalast in Gang hielt. Und auf jedem Bild die gleiche Erscheinung.
    Derek überlegte wütend, wie er stets versuchte, sie zufriedenzustellen – ja er bemühte sich immer nur, dieses Ziel zu erreichen! Er kannte nur die Wünsche seiner Herrin und war so von seinem Pflichtbewußtsein durchdrungen, daß er selbst hier in dieser Umgebung kein Vergnügen fand. Hier im Paradies der Hedonisten und Eudämonisten, inmitten fröhlicher Menschen, hübscher Frauen und berühmter Schönheiten glaubte er Mylady leibhaftig vor sich zu sehen und wußte, daß sie sein Benehmen kontrollierte. Leute sprachen ihn an; er stotterte irgendeine Antwort. Sie waren bester Laune; er versuchte wie sie zu sein. Sie hatten keine Geheimnisse vor ihm; er bemühte sich, keine vor ihnen zu haben. Und er hoffte, daß sie merken würden, daß seine Arroganz nur Verlegenheit überdecken sollte – oder hoffte er, daß die Verlegenheit seine Arroganz überdecken würde? Er wußte es nicht.
    Wie sollte er es auch wissen? Beide Eigenschaften sind einander ähnlich. Beide bringen den Menschen dazu, daß er sich von seinen Mitmenschen abschließt.
    Derek schrak zusammen, als er irgendwo in seiner Nähe Eva Coll-Kennerley sprechen hörte. Sie war also noch nicht gegangen! Er hörte ihre Stimme ...
    »Sie machen die unwahrscheinlichsten Scheffel ausfindig, unter die Sie Ihr Licht stellen können, aber ich ...«
    Er hörte nicht mehr, weil Evas Raum sich von seinem entfernte. Sie war also nicht hinter ihm her! Derek war erleichtert und traurig zugleich. Als er wieder horchte, hörte er seinen Namen und beugte sich beschämt nach vorn, um besser hören zu können. Seine Warmsicht verriet ihm Evas Gesprächspartner: Belix und sein Weibchen Jupkey.
    »... weitere Versuche zwecklos. Derek hat sich bereits zurückgezogen«, sagte Eva.
    »Er ist ein Opfer seiner Lebensumstände«, antwortete Belix. »Das ist uns bereits aufgefallen. Diese Abrogunnaner sind alle gleich, meine Liebe – sie leiden alle an der gleichen Krankheit. Betrachten Sie die Sache mit den Augen einer Wissenschaftlerin: Abrogunn ist die letzte Bastion einer bankrupten Kultur. Es gibt nur noch einige fünf- oder sechstausend Abrogunnaner. Sie verachten gesellschaftliche Konventionen und kennen buchstäblich kein gesellschaftliches Leben. Sie lassen sich von Sklaven bedienen. Sie sind selbst hochgradig dekadent. Aus diesen und anderen Gründen sind sie praktisch nicht mehr mit anderen Rassen vergleichbar. Freund Ende ist ein Musterbeispiel dafür. Eine Tragödie, Eva, aber Sie müssen sich damit abfinden.«
    »Vielleicht hast du recht«, warf Jupkey nachdenklich ein, »aber trotzdem konnte nur ein Abrogunnaner erreichen, was Derek auf Festi XV erreicht hat.«
    »Nein, nein!« widersprach Eva. »Derek wird von einer Frau, nicht von den Überlieferungen seiner Zivilisation beherrscht. Er ist ...«
    »In Endes Fall macht das nicht den geringsten Unterschied, meine Liebe, das können Sie mir glauben. Denken Sie nur an die Gesellschaftsstruktur auf Abrogunn. Die Partheno-Sklaven haben fast alle echten Männer ersetzt; die wenigen Überlebenden hausen auf ihren großen Besitztümern und werden dort von Frauen beherrscht.«
    »Ja, ich weiß, aber Derek ...«
    »Derek ist ein Gefangener dieses Systems, das in Sternenschwarm einmalig ist. Die Söhne einer Familie heiraten ihre Mutter, nicht nur um die Linie weiterzuführen, sondern auch weil zeugungsfähige Frauen allmählich selten werden. Derek Endes ›Herrin‹ ist Mutter und Gattin für ihn. Berücksichtigt man noch die Langlebigkeit, ergibt sich daraus eine Gefühlsbindung, die fast nichts trennen kann – nicht einmal unsere schöne Eva!«
    »Heute abend war es fast soweit!«
    »Das bezweifle ich«, antwortete Belix. »Ende versucht vielleicht zu entkommen, aber die gleichen Kräfte, die ihn dazu zwingen, locken ihn auch wieder nach Hause.«
    »Ich sage Ihnen, es war fast soweit – aber ich habe eher die Nerven verloren.«
    »Wahrscheinlich ist es ohnehin besser so. An Ihrer Stelle würde ich den Kerl ganz vergessen, Eva. Schließlich bringt er kaum ein vernünftiges Wort heraus – allein deshalb könnte er Sie nicht einmal eine Saison lang zufriedenstellen.«
    Der heimliche Lauscher konnte es nicht mehr ertragen, noch länger zuzuhören. Derek Ende sprang auf, drängte sich rücksichtslos durch die Menge und erreichte keuchend den Ausgang. Jons rasche Schritte folgten ihm wie ein Echo bis zum Raumhafen.

     
    Wäre Endehabven verzaubert
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