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Der Sternenschwarm

Der Sternenschwarm

Titel: Der Sternenschwarm
Autoren: Brian W. Aldiss
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gewesen, hätte es dort nicht stiller sein können, als Mylord Ende nach Hause kam.
    Ich benachrichtigte Mylady, sobald sein Schiff die Kreisbahn erreichte. Dann beobachtete ich in der Empfängerschale, wie er und Jon landeten – am äußersten Rand der Insel unmittelbar neben dem Fjord mit seinen stillen Wassern.
    Inzwischen war auch der Wind eingeschlafen, als fürchte er eine ungewisse Drohung in der Luft, und unsere großen Bäume bewegten sich nicht mehr.
    »Wo ist meine Herrin, Hols?« fragte Derek, als ich ihn begrüßte und ihm aus dem Anzug half.
    »Sie hat mir aufgetragen, Ihnen mitzuteilen, daß sie sich in ihre Bäume zurückgezogen hat und Sie nicht empfangen kann, Mylord.«
    Er sah mir in die Augen, was er selten tat. »Ist sie krank?«
    »Nein. Sie hat mir nur diesen Auftrag erteilt, Mylord.«
    Er zog seinen Anzug nicht aus, sondern verschwand rasch im Hauptgebäude.
    An den beiden nächsten Tagen war er nur selten zu sehen und blieb meistens in seinem Zimmer, während Mylady darauf bestand, in ihrem zu bleiben. Einmal sah ich ihn zwischen den Versuchstanks und Käfigen. Er nahm einen Fisch aus dem Wasser, warf ihn in die Luft und beobachtete die Verwandlung, bis ein Vogel daraus geworden war, der sich in die Lüfte schwang; dabei war nicht zu übersehen, daß er sich weniger für die Vorgänge während der Transmutation interessierte, sondern vielmehr den Symbolgehalt dieser Verwandlung zu deuten versuchte.
    Meistens saß er in seinem Arbeitszimmer und besprach die Spulen, auf denen die Geschichte seines Lebens festgehalten war. Eine Wand des Zimmers war mit Regalen voller Spulen bedeckt – die festgehaltenen Herzschläge vergangener Jahrhunderte. Aus den letzten Spulen habe ich diesen Bericht zusammengestellt; trotz seines unausgesprochenen Selbstmitleids war er wenigstens nicht dazu verdammt, nur beobachten zu dürfen.
    Wir Parthenos sind nicht imstande, die Denkprozesse eines vielschichtigen Gehirns zu erfassen; wir kennen nur unsere Aufgabe und sind damit zufrieden. Aber ist es nicht auch eine Art Kunst, zu leiden und stumm zu ertragen?
    An dem Tag, an dem er die Aufforderung von Stern Eins erhielt, eine neue Aufgabe zu übernehmen, begegnete er Mylady im blauen Korridor.
    »Ich freue mich, daß du wieder an unserem Leben teilnimmst, Herrin«, sagte Derek und küßte ihre Wange. »Es ist nicht gut für dich, wenn du freiwillig abgeschieden lebst.«
    Sie strich über sein Haar. An ihrer nervösen Hand trug sie einen Bernsteinring; ihr fließendes Gewand war grün und braun.
    »Du darfst mir deswegen keine Vorwürfe machen, Derek! Ich war nur traurig, weil du mich verlassen hast. Diese Welt stirbt, Derek, und ich fürchte mich vor der Einsamkeit. Du hast mich zu oft allein zurückgelassen. Aber jetzt habe ich mich wieder erholt und freue mich, daß du hier bist.«
    »Du weißt, daß ich mich immer freue, dich zu sehen. Lächelst du für mich? Komm, wir gehen nach draußen – die Sonne scheint.«
    »Das letztemal ist schon so lange her. Erinnerst du dich noch an die Zeit, in der sie immer schien? Ich kann es nicht ertragen, ständig Streit zu haben. Nimm meinen Arm und sei freundlich zu mir.«
    »Herrin, ich will stets freundlich zu dir sein. Und ich habe alle möglichen Dinge mit dir zu besprechen. Du willst bestimmt hören, was ich getan habe, und ich ...«
    »Verläßt du mich nie wieder?«
    Ihre Hand lag schwer auf seinem Arm. Sie sprach lauter als gewöhnlich.
    »Darüber wollte ich ebenfalls mit dir sprechen – später«, sagte Derek. »Aber zuerst möchte ich dir von der wunderbaren Lebensform erzählen, die ich auf Festi XV gefunden habe.«
    Als sie den Korridor verließen und durch den Antischwerkraftschacht nach unten sanken, erwiderte Mylady müde: »Damit willst du vermutlich andeuten, wie sehr dich hier alles langweilt?«
    Er hielt ihre Hände in seinen. Dann ließ er sie los und hielt statt dessen ihr Gesicht zwischen den Handflächen.
    »Du weißt doch, Herrin, daß ich dich liebe, und daß ich dir dienen will. Du bist ein Teil meiner selbst; ich kann dich nicht vergessen, wohin ich auch gehe. Mein sehnlichster Wunsch ist es, dich glücklich zu machen – das mußt du wissen. Aber du mußt auch wissen, daß ich selbst einige Bedürfnisse habe.«
    »Ich weiß, daß diese Bedürfnisse dir wichtiger als alles andere sind, selbst wenn du das Gegenteil vorgibst.«
    Sie ging rascher als er und schüttelte die Hand ab, die er auf ihren Arm legte. Er dachte an eine ähnliche Szene zurück,
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