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Der Sternenschwarm

Der Sternenschwarm

Titel: Der Sternenschwarm
Autoren: Brian W. Aldiss
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Treppe hinauf; die vielen Räume an beiden Seiten verschwammen vor seinen Augen.
    »Mußt du diesen alten Vorwurf immer wieder anbringen, Eva?«
    »Er liegt zwischen uns; ich brauche ihn nicht zu berühren. Ich fürchte deine Unveränderlichkeit, weil ich wie ein Schmetterling vor deiner grauen Festung bin.«
    »Du bist schön, Eva, so schön! Kann der Schmetterling sich nicht auf den unbezwingbaren Mauern ausruhen?« Er fand es schwierig, sich ihrer bildhaften Ausdrucksweise anzupassen.
    »Mauern! Ich kann deine Mauern nicht ertragen, Derek! Bin ich ein Bulldozer, daß ich gegen Mauern anrennen möchte?«
    »Lassen wir den Streit, bis wir etwas gefunden haben, worüber wir uns einig sind«, warf er ein. »Hier sind die Sterne. Sind wir uns wenigstens darüber einig?«
    Er starrte sie bewundernd an und legte seinen Arm um sie und konnte kein Wort sagen. Als sie seinen Blick erwiderte, versuchte er ein schüchternes Lächeln.
    »Da ich wie ein Kompaß nach starken Männern ausgerichtet bin, gilt mein großzügiges Angebot nach wie vor. Ist das nicht verlockend genug?« fragte sie ihn.
    »Ich halte dich nicht für eine Falle, Eva.«
    »Wie lange willst du dann noch auf Abrogunnan vegetieren? Bist du deiner Herrin weiterhin treu, obwohl sie dich wie ihren Sklaven behandelt?«
    »Ich habe keine andere Wahl!«
    »Richtig, darüber haben wir in der Vergangenheit oft genug gesprochen. Erforscht sie noch immer die Transmutabilität verschiedener Rassen?«
    »Selbstverständlich. Die mittelalterliche Vorstellung, manche Tiere könnten ihre Gestalt verändern, war damals natürlich unsinnig; heutzutage ist die genetische Stabilität so weit abgesunken, daß diese Theorie unter bestimmten Umständen zutrifft. Sie versucht zu zeigen, daß die Körperzellen ...«
    »Ja, ja, aber ich will nichts von ihr, sondern von dir hören! Du bist hinter deinen Mauern gefangen, Derek, und vollbringst deine sterilen Heldentaten, ohne jemals die richtige Welt zu betreten. Du irrst dich gewaltig, falls du dir einbildest, du könntest noch länger mit ihr leben und dann zu mir kommen. Die Mauern werden von Jahrhundert zu Jahrhundert höher und unbezwingbarer!«
    Er schüttelte hilflos den Kopf.
    »Wie groß und tapfer und schweigsam du bist – selbst jetzt. Du bist so arrogant«, warf sie ihm vor und fügte dann rasch hinzu: »Weil ich dich trotz allem liebe, mache ich dir nochmals das gleiche Angebot.«
    »Bitte nicht, Eva!«
    »Doch! Vergiß diese lästige Bindung auf Abrogunnan, vergiß das graue Endehabven, vergiß diese entsetzliche Matriarchie – lebe hier mit mir zusammen. Ich will dich nicht für immer. Du weißt selbst, daß ich als Eudämonistin nur mein Vergnügen suche – unsere Verbindung brauchte nur zwei oder drei Jahrhunderte zu bestehen. In dieser Zeit würde ich dir nichts verweigern, was deine Sinne begehren könnten.«
    »Eva!«
    »Und später würden wir uns stillschweigend trennen. Dann könntest du meinetwegen nach Endehabven zurückkehren.«
    »Eva, du weißt doch, daß ich kein Anhänger der Eudämonie bin.«
    »Vergiß deine Anschauungen! Ich verlange nicht allzu viel von dir. Warum versuchst du zu feilschen? Bin ich ein Fisch, von dem man die besten Stücke auswählt und nach Gewicht bezahlt?«
    Derek schwieg betroffen.
    »Du brauchst mich nicht wirklich«, sagte er schließlich. »Du hast bereits alles: Schönheit, Witz, Intelligenz, Wärme, Gefühl, Gleichgewicht, Behaglichkeit. Sie hat nichts. Sie ist seicht, einsam und kalt – sie braucht mich, Eva.«
    »Du entschuldigst nicht sie, sondern dich.«
    Sie wandte sich rasch ab und lief die Treppe hinunter. Derek rannte hinter ihr her und hielt sie am Arm fest.
    »Hör mir zu!«
    »Niemand auf Pyrylyn hätte Lust, sich diesen masochistischen Unsinn anzuhören! Du bist ein arroganter Narr, Derek, und ich bin eine willensschwache Närrin. Laß mich los!«
    Als der nächste Raum an der Treppe vorüberschwebte, sprang sie durch den Eingang und tauchte in der Menge unter.

     
    Nicht alle schwebenden Räume des Kristallpalastes waren beleuchtet. Manche Vergnügungen sind in der Dunkelheit besser zu genießen, und für sie standen Säle und Räume bereit, in denen die Beleuchtung nur ein leichtes Flimmern an der Decke war, während betäubende Düfte die Luft parfümierten. Hier fand Derek einen Platz, an dem er unbeobachtet weinen konnte.
    Abschnitte seines Lebens glitten vor seinem Auge vorüber, als würden sie durch den gleichen Mechanismus bewegt, der den
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