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Der Sternenschwarm

Der Sternenschwarm

Titel: Der Sternenschwarm
Autoren: Brian W. Aldiss
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seine Herrin ihn kaum deswegen tadeln.
    Er bewegte sich weiter durch die Dunkelheit, kroch auf Händen und Knien auf die Klippe zu und war nicht mehr als ein Gefangener in einem selbstbeweglichen Gefängnis. Die Klippe hatte sich irgendwie seines Anzugs bemächtigt; wie das möglich war, konnte er nicht einmal vermuten. Er kroch langsam weiter und brauchte sich dabei nicht anzustrengen. Seine Glieder folgten automatisch den Bewegungen des Anzugs.
    Rauchschwaden hüllten ihn ein. Die Vibrationen hörten plötzlich auf, als die Klippe unbeweglich verharrte. Derek hob den Kopf und sah nur Rauch vor sich – wahrscheinlich war er entstanden, als die ungeheure Masse der Klippe über den Boden rutschte. Dann teilte sich der Rauch, und Derek hatte nur finstere Nacht vor sich. Das Ding war unmittelbar vor ihm!
    Der Anzug kroch weiter, begann zu klettern und zwang Derek, jede Bewegung mitzumachen. Unter ihm befand sich eine teigige Masse – zäh, aber doch nachgiebig. Der Anzug arbeitete sich mühsam in die Höhe; die Stützen knarrten, die Schwerkraftreduktoren summten laut. Er erstieg die Klippe.
    Derek war unterdessen davon überzeugt, daß dieses Ding nicht nur einen Willen, sondern sogar ein Bewußtsein entwickelt hatte. Es verfügte auch über eine Fähigkeit, die kein Mensch besaß: es konnte leblosen Objekten seinen Willen aufzwingen – zum Beispiel seinem Anzug. Allerdings schienen dieser Fähigkeit gewisse Grenzen gesetzt zu sein, denn sonst hätte die Klippe sich bestimmt nicht selbst bewegt, sondern hätte den Anzug gezwungen, zu ihr zu kommen. Falls diese Überlegung zutraf, war das Raumschiff in seiner Kreisbahn ungefährdet.
    Seine Arme bewegten sich jetzt anders. Der Anzug grub einen Tunnel. Derek blieb unbeteiligt, während seine Hände Schwimmbewegungen machten. Daß er ins Innere der Klippe vordrang, konnte nur bedeuten, daß er verdaut werden sollte; trotzdem beherrschte er sich, weil er wußte, daß jede Gegenwehr sinnlos war.
    Der Anzug verschwand allmählich in der teigigen Masse. Dann blieb er ruhig liegen, sobald Derek wirksam von der Außenwelt abgeschnitten war. Um seine zunehmende Klaustrophobie abzuwehren, versuchte er den Helmscheinwerfer einzuschalten; die Arme des Anzugs blieben jedoch so steif, daß er den Schalter nicht erreichen konnte. Er konnte nur in seinem Panzer auf dem Rücken liegen und die formlose Dunkelheit im Innern der Klippe betrachten. Aber die Dunkelheit war nicht gänzlich formlos, denn er erkannte mit seiner Warmsicht bedeutungslose Farbmuster, die weder Zweck noch Symmetrie zu besitzen schienen ...
    Sein Körper reagierte jedoch unbewußt darauf. Derek spürte, daß er am ganzen Leib heftig zitterte, und daß seine beiden Herzen ungewöhnlich und fast schmerzhaft rasch schlugen. Unter diesen Umständen lag die Vermutung nahe, daß er mit Kräften in Berührung stand, von denen er nichts wußte; andererseits schien auch dieses Wesen, mit dem er Verbindung hatte, nichts von seinen Kräften zu wissen.
    Derek hatte plötzlich das Gefühl unendlicher Schwere und spürte die gigantischen Massen der Klippe deutlicher als zuvor. Festi XV war selbstverständlich erheblich größer, aber die Klippe entsprach trotzdem einem mittelgroßen Asteroiden ... Er konnte sich vorstellen, wie ein solches Gebilde durch eine Gasexplosion entstanden war. Die Materie war halb fest, halb flüssig und beschrieb eine exzentrische Kreisbahn um die Sonne, von der sie stammte, kühlte allmählich ab, wobei Kräfte verschiedenster Art entstanden und sich auswirkten, und bildete in seinem Kern einzigartige Kristallformen. So schwebte er viele Millionen Jahre durch den Raum und sammelte allmählich eine elektrostatische Ladung ... und erzeugte die Lebenssäuren in seinem kristallinen Innern.
    Festi war ein stabiles System, aber einmal in ungezählten Millionen Jahren geschah es, daß die riesigen drei ersten Planeten die größte Sonnennähe und die größte Nähe zueinander erreichten. Zum gleichen Zeitpunkt war auch der Asteroid Festi am nächsten; er wurde aus der Bahn gerissen und hätte fast die drei Planeten gestreift. Unvorstellbare Kräfte wurden nun frei. Der Asteroid glühte und erwachte zu einer Art Bewußtsein; das Leben wurde nicht auf ihm geboren – er wurde zum Leben geboren!
    Bevor er die Möglichkeiten seines Bewußtseins ausgekostet hatte, geriet er auf seiner neuen Bahn ins Schwerefeld von Festi XV. Die Schwerkraft bestimmte sein Leben und war für ihn so wichtig wie Sauerstoff für
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