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Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten

Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten

Titel: Tatort Oslo - Unehrlich waehrt am laengsten
Autoren: Knut Krueger
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Prolog
    Oslo im April
    Als das Diensttelefon von Hauptkommissar Ohlsen klingelte, war dieser wieder mal nicht erreichbar. Mit kräftigen Paddelschlägen trieb er sein Seekajak über die schäumenden Wellen des Oslofjords, während die Gischt wie eine weiße Maske um sein Gesicht stand. Immer höher türmten sich die Wellenberge auf, hoben sein Boot in die Höhe und ließen es wieder ins Tal schießen. Stürmischer Wind brüllte in seinen Ohren, riss den Schaum von den Kronen und jagte die Fetzen quer durch die Luft. Der peitschende Regen zog einen dichten, graugrünen Vorhang über das Wasser, der sich nicht durchdringen ließ. Wie hätte er da telefonieren sollen?
    Sein Sohn Alexander hingegen drückte den grünen Knopf des Handys, machte routiniert eine Aktennotiz und beruhigte den erzürnten Gustavsen. Denn der Kollege seines Vaters hatte »die Schnauze gestrichen voll«, wie er Alexander unverblümt mitteilte. »Sag deinem Herrn Vater, es gäbe wichtige Neuigkeiten beruflicher Art, die ihn unter Umständen interessieren könnten.«
    »Soll er heute noch zurückrufen?«, fragte Alexander scheinheilig.
    »Wenn es vor Weihnachten noch ginge, wäre ich überaus dankbar«, antwortete Gustavsen, der zunehmend gereizt klang. Dann legte er grußlos auf.
    Alexander kannte dieses Spiel zur Genüge, und es gefiel ihm, daran teilzuhaben. Vermutlich war es auch kein Zufall, dachte er sich, dass man seinem Vater, der erst kürzlich zum Hauptkommissar befördert worden war, ausgerechnet den über alle Maßen pflichtbewussten und peniblen Magnus Gustavsen zur Seite gestellt hatte. Zwar hätte niemand seinem Vater mangelndes Pflichtbewusstsein vorwerfen können, doch achtete er stets darauf, dass Arbeit und Freizeit in einem gesunden Verhältnis zueinander standen, wie er sich ausdrückte. Er nutzte, mit anderen Worten, jede sich bietende Gelegenheit, um seiner Sportleidenschaft zu frönen, im Meer zu schwimmen, auf Langlaufskiern durch die Wälder zu gleiten, in Joggingschuhen durch die halbe Stadt zu traben oder in seinem Kajak die Weiten des Oslofjords zu erkunden. So wie jetzt.
    Alexander trat ans Fenster und blickte besorgt über den aufgewühlten Fjord, der eine giftgrüne Farbe angenommen hatte. Normalerweise konnte er von hier aus die umliegenden Inseln Hovedøya, Lindøya und Nakholmen sowie die Landspitze der Halbinsel Nesodden erkennen, doch nun hatten Land, Himmel und Meer ihre Konturen verloren und waren zu einem diffusen, brodelnden Gemisch verschmolzen. So in etwa stellte er sich die Ursuppe vor, die sie in Bio durchgenommen hatten und aus der vor 15 Milliarden Jahren das Universum entstanden war. Irgendwo da draußen, in der Unendlichkeit des brodelnden Ur-Universums, war sein Vater in einem winzigen Boot den entfesselten Naturgewalten preisgegeben. Für Alexander eine vertraute und dennoch beklemmende Vorstellung.
    Er steckte das Handy in die Hosentasche, stapfte die Treppe hinunter und ging in die Küche, um sich ein Brot mit Krabbencreme zu machen. Er hatte gerade die Kühlschranktür geöffnet, als ein Brummen an sein Ohr drang, gefolgt vom Knirschen der Reifen auf dem groben Kies. Mit einem Anflug von Erleichterung nahm er Butter, Krabbencreme und Milch aus dem Kühlschrank, hielt dann inne und lauschte.
    Rums! Die Haustür.
    »Ach, ist das herrlich!« Die Stimme seines Vaters.
    »Hallo, Papa.«
    »Hallo, Alex!« Eine kompakte, durchtrainierte Gestalt, der man ansah, dass sie eben noch klatschnass gewesen war, erschien im Türrahmen. »Großartiges Paddelwetter, ich hätte bis nach Drøbak fahren können!«, rief Ohlsen begeistert. Sein Gesicht leuchtete vor Freude und guter Durchblutung. Seine dichten schwarzen Haare standen struppig in alle Richtungen ab, was sie im Übrigen immer taten, ob nass oder trocken. »Da fühlt man sich wirklich wie neugeboren! Vielleicht sollte ich mir gleich meine Joggingschuhe schnappen und noch eine kleine Runde ums Haus …«
    »Magnus hat angerufen«, unterbrach ihn Alexander.
    »Ach wirklich?«
    »Schon zwei Mal. Er sagte, es ist dringend.«
    »Wahrscheinlich sind ihm die Büroklammern ausgegangen und er will wissen, wann wir Nachschub bekommen.«
    »Er klang ziemlich aufgeregt.«
    »Hm, hat er noch was gesagt?«
    »Dass er die Schnauze voll hat.«
    »Das hat er gesagt?«
    »Das hat er gesagt.«
    »Ich ruf ihn morgen an.«
    »Papa, bitte!«
    »War‘n Scherz. Gib her.«
    Alexander reichte ihm das Handy, doch noch ehe sein Vater die Kurzwahlnummer seines Kollegen eintippen
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