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Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker
Autoren: Liaty Pisani
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zu sauer.«
    »Macht nichts.« Franz fuchtelte mit den Händen herum. »Laß mir doch meine karibischen Träume in dieser Scheißstadt.«
    »Also dann erzähl mir jetzt, was Guthrie …«
    »Ich bin ihm selber nach, und das war ein Glück; dein Doktor hatte es verdammt eilig, als er vom Kongreß kam. Er fährt diese Kiste wie einen Geländewagen …«
    »Mach schon, Franz, ich muß los.«
    »Gut. Du kannst dich freuen. Der Doktor ist schnurstracks zum Haus seiner Patientin gefahren. Es war bestimmt das erstemal, daß er hinfuhr, denn er hat es nicht gleich gefunden. Dort liefen ihm die Hausverwalter über den Weg, die gerade dabei waren, das Feld zu räumen. Ein Ehepaar: sauber, wir haben sie überprüft.«
    »Weiter.«
    »Bei dieser Gelegenheit habe ich ein sehr brauchbares Ding ausprobiert, das beste Richtmikrofon, das es gibt, japanisch. Guthrie hat zuerst mit dem Mann geredet, dann mit der Frau: Frau Lasko wohnt nicht mehr hier, sie ist weg, wir wissen nicht, wohin, das Haus wird verkauft, und der Mann ist tot. Guthrie staunte nicht schlecht …«
    Während Franz ihn über Guthries Unternehmungen informierte, beobachtete Ogden die ganze Hotelhalle.
    Der Hinweis auf den Brief weckte sein Interesse, aber sein Blick kehrte zu dem Silberstift zurück, den der Portier blitzschnell über die Seiten des Gästeverzeichnisses führte.
    Da er keine Antwort erhielt, redete Franz weiter.
    »… Fast hätte ich ihn mit meinem Auto gerammt. Ich bin ihm weiter nachgefahren bis zu seiner Praxis und habe von einer gegenüberliegenden Telefonkabine aus bei ihm angerufen, um zu hören, in welcher Stimmung er war. Er hat in den Hörer gebrüllt; der Brief der Geflüchteten hat seine Laune gewiß nicht verbessert.«
    Franz trank seinen Daiquiri auf einen Zug aus und wartete auf Ogdens Kommentar.
    »Es könnte sich um einen vertraulichen Brief handeln«, sagte Ogden, indem er seinen Blick von der Rezeption löste, »oder um einen Scheck für die letzten Sitzungen. Oder um beides zugleich. Gute Arbeit, Franz, wie immer.«
    »Entweder ist diese Frau sehr schlau, oder sie liegt schon am Grund irgendeines Sees …«, sagte Franz.
    »Wer weiß.« Ogden erhob sich. »Vielleicht ist sie weder tot noch schlau. Bleib in der Zentrale, damit du jederzeit erreichbar bist und in fünf Minuten da sein kannst.«
    Er winkte Franz zu und ging.
     
     
    Lieber Doktor,
    Ich schreibe Ihnen diesen Brief in höchster Eile, denn ich reise ab. Mein Mann ist gestern bei einem Autounfall ums Leben gekommen. Der Tod eines Menschen, den wir nicht lieben, aber einmal geliebt haben, ist besonders schmerzlich. Die Bank wird Ihnen überweisen, was ich Ihnen noch schulde, jedoch nicht vor Erhalt dieses Briefes. Entschuldigen Sie meine Geheimniskrämerei, doch ich bin dazu gezwungen.
    Ich möchte Ihnen für diese Monate der Arbeit danken; ich hätte mich schon völlig aufgelöst, hätten Sie mich nicht davon überzeugt, daß ich gar nicht so zerbrechlich bin.
    Sobald ich kann, lasse ich von mir hören. Ich muß einfach weg, ich habe keine andere Wahl. Denken Sie manchmal an mich, ich bin sicher, daß mir das helfen wird; ich verspreche, daß ich Sie in bester Erinnerung behalten werde.
    In Liebe, Ihre Alma Lasko.
     
    Guthrie machte eine unwillige Geste und steckte sich eine Zigarette an. Diese dramatische und zugleich teilnahmslose Haltung paßte genau zu Almas Krankheitsbild, aber ihre Angst, die zwischen den Zeilen durchschien, hatte etwas Erschütterndes.
    Es war einfach so, überlegte Guthrie mit Bedauern, daß er außer dem wenigen, was Alma ihm während der Analyse erzählt hatte, nichts von ihr wußte; für die Sitzungen hatte es keine Rolle gespielt, aber jetzt, da seine Patientin mitsamt ihrer ganzen Familie verschwunden war, erwies es sich als Manko.
    Alma war Waise. Vor dreißig Jahren in einer italienischen Kleinstadt geboren, hatte sie, als sie noch sehr klein war, ihre Eltern durch einen Autounfall verloren. Nach diesem Unglück kam sie in ein von Nonnen geführtes Internat. Ein Vormund hatte ihr beträchtliches Vermögen verwaltet, bis sie volljährig war und für sich selber sorgen konnte. Sie hatte Lasko vor fünf Jahren kennengelernt und ihn nach einer sehr kurzen Verlobungszeit geheiratet. Scheinbar hatte es sich um eine Liebesheirat gehandelt, aber schon nach wenigen Monaten gab es Probleme in der Ehe. Alma versuchte seit langem, von ihrem Mann loszukommen, was ihr aber nicht gelang; mit Hilfe der Analyse hoffte sie, auch dieses Problem zu
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