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Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker
Autoren: Liaty Pisani
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einer U-Bahn-Toilette überfallen worden, während er Ogden verfolgte. Dieser Idiot hatte sich nicht einmal des Fotos entledigt, das Alma Lasko vor dem Dolder in Zürich zeigt …«
    Stuart stand auf.
    »Dann sind wir also auf frischer Tat ertappt worden …«
    Der Ernst, mit dem er diese Worte sagte, konnte nicht über seine Befriedigung hinwegtäuschen.
    »Jetzt würde ich mir nicht mehr so große Hoffnungen machen, daß der verlorene Sohn zurückkehrt.«
    Casparius erwiderte nichts. Sein Lächeln war zu einer steinernen Maske geworden. Stuart fand, daß er einer hundertjährigen Schildkröte ähnelte.
     
     
    Vernon kehrte gegen Mitternacht nach Hause. Sein Leibwächter machte einen Inspektionsgang und kam, nachdem er das ganze Haus untersucht hatte, in die Bibliothek zurück.
    »Alles in Ordnung«, sagte er. »Ich gehe jetzt schlafen, wenn Sie etwas brauchen, wissen Sie ja, wo Sie mich finden.«
    Vernon nickte schlechtgelaunt.
    »All diese Vorsichtsmaßnahmen sind unnötig. Casparius übertreibt, wie gewöhnlich. Er hat die Sache ganz und gar nicht verdaut«, sagte er halblaut.
    Sein Leibwächter zuckte die Achseln.
    »So lautet der Befehl. Gute Nacht.«
    Der Mann ging und schloß die Bibliothekstür hinter sich. Er würde im Vorzimmer schlafen, wie er das nun schon seit zwei Monaten tat.
    »Ich bin ihm unsympathisch«, brummte Vernon und schenkte sich großzügig Whiskey ein, obwohl er schon ziemlich betrunken war. Das Abendessen zu Ehren des französischen Botschafters war langweilig gewesen, die anwesenden Damen gräßlich und die Speisen ungenießbar: ein Abend, den er möglichst schnell vergessen wollte.
    Er setzte sich in einen Sessel und schaltete das Fernsehgerät ein. Kampfszenen flimmerten über die Mattscheibe. Soldaten rannten in einem armseligen Dorf von einer Seite zur anderen und schossen wie die Wahnsinnigen um sich; Bomben explodierten und Erde spritzte hoch.
    »Ganz schön schwierig, bei all dieser Erde zu filmen«, murmelte er und suchte ein anderes Programm. Er geriet mitten in einen Hitchcock-Film: Gregory Peck glitt in elegantem Kristianiaschwung über den Schnee, aber jemand schoß von irgendwoher aus dem Verborgenen, und so begann der übliche Totentanz.
    »Wir machen immer das gleiche«, murmelte er und leerte sein Glas. Er stand auf und trat an die Glastür, die zum Garten hinausführte. Sie war verschlossen. Er fand es unerträglich heiß in dem Zimmer.
    Ich habe zuviel getrunken, dachte er und trocknete seine Stirn mit einem Taschentuch. Die Anordnungen waren klar, er durfte die Glastür zum Garten unter gar keinen Umständen öffnen.
    »Jede kleinste Aktion muß ich von diesem Idioten da draußen absegnen lassen«, jammerte er vor sich hin. Er hatte das Gefühl, daß es inzwischen noch heißer geworden war, stieg auf einen Stuhl und hielt die Hand an die Klimaanlage. Sie ging nicht, irgend etwas war defekt. Fluchend stieg er vom Stuhl.
    »Peter«, rief er, aber der Mann antwortete nicht. Er machte die Tür zum Vorzimmer auf, das Feldbett war leer. In dem Aschenbecher neben einer Zeitschrift auf dem Boden glimmte noch ein Zigarettenstummel.
    »Wo treibst du dich denn herum, Peter, ist das vielleicht eine Art, Wache zu halten, du Mistkerl!« schrie er.
    Der Mann antwortete nicht. Vernon ging zur Haustür und kontrollierte, ob sie geschlossen war. Im Haus war es still, das Personal hatte an diesem Abend frei. Er kam zurück und machte die Tür auf, die vom Vorzimmer in den Bedienstetentrakt führte, ging über einen schmalen Flur mit Linoleumfußboden und klopfte an die Klotür.
    »Peter?« Er drückte die Klinke herunter, sie gab nach: das Klo war leer.
    Schweiß rann über seinen Rücken, das Smokinghemd klebte durchnäßt an seiner Haut.
    »Du bist also hier, du Schuft!« rief er belustigt aus. »Bist gekommen, um dir zurückzuholen, was du mir vor Jahren geschenkt hast. Komm nur näher, Junge, dann werden wir ja sehen, wer von uns beiden mehr auf Draht ist …«
    Er ging in Richtung Küche, stolperte und fiel auf den Linoleumfußboden. Der war kühl, und einen Augenblick lang war er versucht, einfach hier liegenzubleiben und auf dieser glatten Fläche einzuschlafen. Aber dann stand er auf, die Angst hatte ihn schlagartig ernüchtert. Vorsichtig tastete er sich in der nächtlichen Stille voran.
     
     
    Als der Briefträger klingelte, um ein Einschreiben auszuhändigen, stand das Hoftor schon offen. Keiner reagierte auf sein wiederholtes Läuten.
    Da er wußte, daß es in dieser
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