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Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker
Autoren: Liaty Pisani
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darüber reden, aber jetzt muß ich gehen. Ich habe einen Patienten, der mich unbedingt in der Mittagspause behelligen will, deshalb werde ich mich mit einem Brötchen begnügen müssen. Aber wir können uns zu einem anderen Zeitpunkt treffen …«
    »Natürlich«, sagte Ogden. »Ich bin während des ganzen Kongresses in Wien. Sagen Sie mir, wann es Ihnen paßt …«
    »Morgen abend bin ich frei. Wenn es Ihnen recht ist, könnten wir im Gambrinus zu Abend essen. Um acht. Wissen Sie, wo das ist?«
    »Ja, gewiß, danke, ich werde ganz pünktlich sein.«
    Vor der Universität trennten sie sich. Ogden gab vor, an einen Taxistand zu gehen, sah, wie Guthrie in seinen Volvo stieg, ihn anließ und Richtung Schottengasse davonfuhr.
    Er brauchte sich nicht zu beeilen; Franz oder einer seiner Männer verfolgte Guthrie bereits und würde ihm schon bald über alles berichten, was er unternommen hatte.
    Ogden ging rasch, wie es seiner Gewohnheit entsprach, nahm dabei aber alles auf, was ihn umgab. Er versicherte sich, daß er nicht verfolgt wurde, beobachtete die Autos, die den Ring entlangfuhren, sowie die Leute, die auf den Gehsteigen gingen. Eine solche Aktivität entwickelte er nicht nur bei seinen Missionen: auch wenn er auf Ruhepause in Bern war, hätte er jederzeit sagen können, welche und wie viele Autos vor dem Ascot vorbeigefahren waren, bevor er es betrat, oder wie viele Frauen und wie viele Männer in dem Restaurant saßen. Dieses ständige Registrieren all dessen, was um ihn herum geschah, war ihm schon lange nicht mehr lästig. Er lebte inmitten der Menge, die er bis ins kleinste Detail hätte beschreiben können, die ihn aber nicht im geringsten interessierte. Die anderen existierten für ihn erst in dem Augenblick, in dem sie ihm zur Gefahr wurden. Vorher waren sie nichts als Schaufensterpuppen: solche aus dem Prisunic oder Printemps oder, wenn von besserer Qualität, solche von Harrod’s oder Macy’s.
    Er blieb vor einer Parfümerie stehen, um Rasierschaum zu kaufen. Zum erstenmal war er mit lückenhaftem Gepäck zu einer Mission aufgebrochen.
     
     
    Guthrie parkte den Volvo vor dem Haus Nummer 14 in der eleganten, von Renaissancegebäuden gesäumten Bäckerstraße. Almas vornehmes cremefarbenes Haus lag in einem von Mauern umgebenen Garten. Durch ein großes schmiedeeisernes Tor konnte man den Hauseingang am Ende der gepflegten Einfahrt erkennen. Er blieb vor dem Tor stehen. Gerade als er klingeln wollte, machte eine korpulente Frau die Haustür auf. Sie trug in der linken Hand einen Koffer, in der rechten eine Hutschachtel. Ein dunkel gekleideter Mann mit einer Baskenmütze auf dem Kopf folgte ihr.
    Die Frau kniff die Augen zusammen wie eine Kurzsichtige, sah Guthrie nicht gerade freundlich an und wandte sich dem Mann zu, um ihm etwas zu sagen. Dieser nickte, stieg die drei Stufen vor der Haustür hinunter und ging langsam auf das Hoftor zu. Er hatte ein hartes Gesicht mit markanten Zügen, anhand seiner Hautfarbe diagnostizierte Guthrie bei ihm eine beginnende Leberzirrhose.
    »Wollen Sie was?« fragte er, als er am Tor war.
    »Ich suche Frau Lasko.«
    »Frau Lasko wohnt nicht mehr hier.«
    »Was heißt, sie wohnt nicht mehr hier?« fragte Guthrie und kam sich ganz lächerlich vor.
    »Sie wohnt nicht mehr hier«, wiederholte der Mann ungeduldig. »Sie ist weggezogen.«
    »Wann?«
    »Wann, wann … Vor vielleicht zehn Tagen. Aber wer sind Sie eigentlich?«
    »Ich bin ihr Arzt, Dr. Guthrie.«
    Der Mann wurde nur noch mißtrauischer.
    »Frau Laskos Arzt war Dr. Schmidt; Sie kenne ich gar nicht.«
    Guthrie erwiderte aufgebracht:
    »Als ob es Sie etwas anginge, was Ihre Herrschaft für Ärzte hat!«
    Der Mann nahm eine achtungsvollere Haltung an.
    »Gut. Jedenfalls ist Frau Lasko weg«, beharrte er, »das Haus soll verkauft werden, und meine Frau und ich gehen jetzt. Wir sind die Hausverwalter«, fügte er hinzu. »Morgen kommen die Bauarbeiter, der neue Eigentümer soll in einem Monat einziehen.«
    »Hat sie denn keine Adresse hinterlassen? Und ihr Mann?« fragte er einer plötzlichen Eingebung folgend.
    Der Mann zog die Baskenmütze herunter.
    »Aber ihr Mann ist doch tot!«
    Guthrie fühlte, daß er jetzt strategisch vorgehen mußte.
    »Das war mir nicht bekannt«, sagte er bedauernd. »Ich war im Ausland. Wie ist das passiert?«
    »Ein Autounfall, an der Côte d’Azur. Er ist verkohlt, der Ärmste.«
    »Hören Sie«, beharrte Guthrie, »ich muß Frau Lasko dringend sprechen. Wie kann ich sie nur
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