Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spion und der Analytiker

Der Spion und der Analytiker

Titel: Der Spion und der Analytiker
Autoren: Liaty Pisani
Vom Netzwerk:
erreichen?«
    »Ich weiß es nicht«, sagte der Mann und sah seine Frau an, die näherkam. »Sie hat uns ausbezahlt, das Haus zum Verkauf freigegeben und ist gegangen. Das sind Leute, die herumreisen, die sind mal hier, mal da. Ich weiß auch nicht, was ich Ihnen sagen soll …«
    Da ihm klar war, daß er hier nichts weiteres erfahren würde, verabschiedete sich Guthrie und ging. Als er gerade ins Auto einsteigen wollte, hörte er die scharfe Stimme der Frau, die ihm nachrief:
    »Dr. Guthrie, warten Sie …«
    Guthrie drehte sich um und sah, wie die Hausmeistersfrau durchs Tor kam und sich ihm verlegen näherte. Koffer und Hutschachtel hatte sie stehen lassen, ihr langer Mantel schlug an ihre muskulösen Beine.
    »Herr Doktor«, sagte sie keuchend, als sie vor ihm stand. »Ich habe einen Brief für Sie.«
    Sie griff in die Tasche und zog einen langen, schmalen Umschlag hervor.
    »Frau Lasko hat mir eingeschärft, ihn Ihnen zukommen zu lassen, nachdem wir weg sind, nicht früher und nicht später. Sie müssen meinen Mann entschuldigen«, fuhr sie mit einem Blick auf ihren Mann fort, der sie wütend beobachtete, »er hat nichts davon gewußt.« Sie unterbrach sich, und Guthrie hatte den Eindruck, daß sie zwinkerte. »Ich hätte ihn noch heute an Sie abgeschickt, so lautete die Anweisung. Wir wissen nicht, wohin sie gegangen ist. Vielleicht zu irgendeinem Verwandten. Wir waren erst seit kurzem in ihren Diensten …«
    Guthrie nahm den Brief und steckte ihn in die Tasche.
    »Warum haben Sie das Telefon nicht abgenommen?«
    »Welches Telefon, das von Frau Lasko? Das konnten wir ja nicht, die Leitung wurde stillgelegt, auch die Nebenleitung in der Portiersloge …«
    »Ich danke Ihnen«, fiel ihr Guthrie ins Wort, »Sie waren sehr freundlich. Wenn Sie irgend etwas erfahren«, fuhr er fort und streckte ihr seine Visitenkarte entgegen, »können Sie mich jederzeit anrufen.«
    Die Frau nahm das Kärtchen entgegen und betrachtete es.
    »Gewiß, Herr Doktor, darauf können Sie sich verlassen. Aber ich glaube kaum, daß es dazu kommen wird«, sagte sie mit vielsagender Miene, »das sind Leute, die nirgends Wurzeln haben, und jetzt, wo der Mann tot ist …« Sie schüttelte den Kopf und kehrte zu ihrem Mann zurück.
    Guthrie stieg entnervt ins Auto, ließ den Motor an und legte geräuschvoll den ersten Gang ein; der dicke Volvo machte einen Satz nach vorn, und ein Auto hinter ihm mußte scharf bremsen, um nicht aufzufahren. Er zündete eine Zigarette an und fuhr vorsichtig in seine Praxis. Es war jetzt zwei Uhr, er hatte noch Zeit, bis der Kongreß weiterging.
     
    Ogden saß im Foyer seines Hotels in einem äußerst bequemen Sessel und wartete auf Franz. Er trank in langsamen Zügen einen Courvoisier und blätterte in der »Gazette«, ohne dabei die Leute rings um sich aus den Augen zu verlieren.
    Das junge Mädchen, vermutlich eine Amerikanerin, versuchte noch immer, seine Aufmerksamkeit auf sich zu lenken. Nachdem sie aus einem der Aufzüge gekommen war, hatte sie ihre Blicke durch die ganze Halle schweifen lassen und, nachdem sie ihn ausgemacht hatte, mit Erfolg versucht, ihn auf ihre langen Beine, ihren strammen Po und die sanfte Rundung ihres Rückens aufmerksam zu machen, der allerdings durch leicht abstehende Schulterblätter nicht ganz vollkommen war. Dann hatte sie den Kopf geschüttelt, damit das lange rotblonde Haar hin- und herflog und ihn schließlich mit einem unmißverständlichen Lächeln gemustert. Gut, daß sie ihm ihr Gesicht zuletzt gezeigt hatte: es war nicht schön. Ogden sah auf die Uhr. Wenn Franz sich nicht beeilte, würde er zu spät zu den Nachmittagsveranstaltungen des Kongresses kommen.
    Das junge Mädchen redete laut mit einer korpulenten Dame, wahrscheinlich ihrer Mutter. Vor dem Schaufenster der Hotelboutique zeigte sie begeistert auf eine Handtasche von Hermès. Die Frau, deren Kopf von einer Wolke hellblauer Haare gekrönt war, nickte zufrieden.
    Ogden, den die ganze Nummer, die da vor ihm abgezogen wurde, langweilte, trank noch einen Schluck Cognac und blickte zum Eingang. Gerade in dem Augenblick kam Franz, in einen übergroßen Regenmantel gehüllt, herein.
    »Entschuldige die Verspätung: der Verkehr … Es ist wieder Mode, zum Mittagessen nach Hause zu fahren; ich frage mich, was jetzt wohl die Ehebrecher machen …«
    »Möchtest du was trinken?«
    »Natürlich, danke. Ich nehme einen Daiquiri.«
    »Eine sehr schlechte Wahl. Hier haben sie keine Limetten, sie nehmen Zitrone, und es wird
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher