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Der Spion der Zeit

Der Spion der Zeit

Titel: Der Spion der Zeit
Autoren: Marcelo Figueras
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Ungewöhnliches geschehen war. Ferrer besaß zwei Hunde, einen Deutschen Schäferhund und eine Colliehündin. Nun zählte sie sechs. Der Collie war nicht dabei, und die anderen waren von undefinierbarer Rasse. Unermüdlich rannten sie hin und her, ohne einander zu berühren, als würden sie einen heiligen Ort bewachen.
    Ein einziger schafsgroßer Hund bemerkte sie. Ohne nachzudenken, warf sie das Stück Fleisch weit von sich. Es troff vor Blut. Der Hund machte einen Satz und stob in die gewünschte Richtung davon; ein anderer folgte ihm still. Nur die Fliegen ließen sich nicht von dem Köder anlocken. Es mussten Tausende sein. Bei jedem ihrer Schritte flogen sie in Schwärmen vom feuchten Boden auf.
    Die Hausangestellte fand einen Schuh unter dem Rosenstrauch. Er gehörte dem General. Womöglich hatte er ihn den Hunden nachgeworfen, um sie zum Schweigen zu bringen. Doch das passte eigentlich nicht zu ihm: Der General hätte sie bei den Ohren gepackt und sie gezwungen, still zu sein; er hätte ihnen mit der Peitsche den Rücken zerfetzt.
    Mit fuchtelnden Armen versuchte sie, die Tiere zu verscheuchen. Das wirkte zwar wenig überzeugend, doch es half. Die Hunde hatten Respekt vor ihr. Man hörte ein letztes Bellen, eher kläglich, und die Tiere trollten sich alle in dieselbe Richtung, wie Schauspieler, wenn der Vorhang fällt.
    Zu ihren Füßen entdeckte die Hausangestellte einen formlosen Haufen, ihr wurde übel. Ein Klumpen aus Fell und Blut, der Collie. Er hatte keine Ohren mehr.
    Sie ließ den Schuh des Generals fallen, als hätte er plötzlich Feuer gefangen.
    Fliegen krabbelten ihr über die nackten Füße. Beim Zurückweichen stieß sie mit der Ferse gegen einen Körper zwischen den Blumen. Ein Hund? Nein, ein Mensch. Einer, dem ein Schuh fehlte.
    Der General sah aus, als ob er schliefe. Er hatte die Augen geschlossen, und sein Gesicht war friedlich. Nur seine Haut war trocken und aschfahl, als wäre er einer Tropenkrankheit zum Opfer gefallen.
    Der Hausangestellten fiel nicht auf, dass ihre Füße rot waren. Sie bemerkte es erst, als sie ihre Fußspuren auf dem Boden im Haus sah, während sie mit zittrigen Fingern eine kurze Telefonnummer wählte.
    Auch die Polizisten verhielten sich nicht gerade vorbildlich. Sie waren bereits überall herumgetrampelt, als Carranza, der Gerichtsmediziner, ihnen mitteilte, Ferrers Körper sei völlig ausgeblutet (er hatte nicht einen Tropfen mehr aus ihm herausbekommen), und das Blut könne überall im Park verteilt sein.
    Was sie an ihren Schuhsohlen umgehend bestätigt fanden.
    III
    Major Abellán wurde von einem Nachbarn gefunden. Die merkwürdigen Umstände waren den Vorsichtsmaßnahmen geschuldet, die der Major aus K in den letzten Jahren ergriffen hatte.
    Abellán verbrachte die Abende in seinem Arbeitszimmer. Da das Heulen des Windes an seinen Nerven zerrte (einmal bildete er sich ein, drei weibliche Gestalten würden ihn mitten im Sturm aus den Bäumen rufen), ließ er alle Luftöffnungen verschließen, Türritzen, Fensterrahmen. Mit der Verzweiflung hatte er sich abgefunden, bloß stumm sollte sie sein.
    Besagter Nachbar war am Morgen im Hof damit beschäftigt, die abgefallenen Blätter zusammenzukehren, die seinen Garten verschandelten. Er kniete auf dem Boden und jätete Unkraut, als er hinter Abelláns Fenster etwas Merkwürdiges bemerkte. Etwas derart Ungewöhnliches, das es dem gesunden Menschenverstand und seinem Verständnis für physikalische Gesetze vollkommen zuwiderlief. Er wollte der Sache auf den Grund gehen. Eine dicke Mauer trennte die beiden Anwesen voneinander, Abelláns Haus stand auf einer leichten Erhebung. Der Nachbar konnte das Phänomen nicht genau ergründen, doch sein erster Eindruck fand sich bestätigt.
    Im Arbeitszimmer des Majors schwebte etwas.
    Er ging ans Telefon und wählte Abelláns Nummer, drüben nahm niemand ab. Was nicht weiter verwunderlich war, denn für gewöhnlich schlief Abellán bis zum frühen Nachmittag. Doch dieses Anzeichen von Normalität reichte dem Nachbarn nicht aus. Er sammelte die zusammengekehrten Blätter ein, machte sich einen Tee, das Bild ging ihm jedoch nicht mehr aus dem Kopf.
    Das Tor zu Abelláns Grundstück stand offen, die Haustür hingegen war verschlossen. Er beschloss, einmal um das Haus herumgehen und, falls nötig, ans Fenster im Arbeitszimmer zu klopfen. In den Bäumen zwitscherte ein Vogel. Erst dieses einsame Zwitschern machte ihn darauf aufmerksam, wie still es um das Gebäude herum war.
    Der
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