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Der Spion der Zeit

Der Spion der Zeit

Titel: Der Spion der Zeit
Autoren: Marcelo Figueras
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perfektes Instrument war. Sie war eher wie ein Gebrauchtwagen: Ständig musste man etwas nachjustieren, manchmal ein bisschen anschieben, und nicht selten musste man aussteigen, um sein Ziel zu erreichen.
    An diesem Morgen unterhielten sich die drei in den Räumlichkeiten des Kommissariats, während sie darauf warteten, dass Van Upp den Chefsessel einnahm. Seine Ernennung bereitete ihnen Kopfzerbrechen. Die Frage war, ob man Van Upp ausgewählt hatte, um die Ermittlungen voranzutreiben, oder weil man sichergehen wollte, dass sie möglichst schnell zu den Akten gelegt wurden.
    »Van Upp, was ist das für ein Name?«, fragte Dumont und begutachtete seine Zähne im Spiegel seines silbernen Zigarettenetuis.
    »Ein Name so pedantisch wie sein Besitzer«, sagte Nadal.
    »Welche Absicht dahintersteckt, ist doch klar«, sagte Nora Duarte. »Van Upp war während des Prätorianerregimes nicht im Dienst. Also steht er nicht bei ihnen in der Pflicht. Und das schlechte Ansehen der Polizei wird nicht mit ihm in Verbindung gebracht. Van Upp war an keinen fragwürdigen Einsätzen beteiligt. Er ist sauber.«
    »Da hab ich aber was anderes gehört«, sagte Nadal.
    »Und was ist das für eine Geschichte mit seinem Zusammenbruch?«, fragte Dumont und zündete sich eine Zigarette an.
    »Auf Gerüchte aus Polizeikreisen darf man nichts geben«, sagte Nora Duarte.
    »Warum nicht?«
    »Weil wir unabhängig von aller unterschiedlichen Ausbildung, Methodik und Zielsetzung eins gemeinsam haben: den Hang zur Melodramatik.«
    »Alles, was ich weiß, weiß ich aus erster Hand. Von Freunden. Kollegen«, sagte Nadal.
    »Genau das meinte ich«, sagte Nora Duarte.
    »Ich kenne einen Ermittler, der in der Brandnacht vor Ort war«, sagte Nadal unbeirrt.
    »Brand?«, fragte Dumont.
    »Der Mann sagt, Van Upp sei schuld an der Katastrophe gewesen, auch wenn im Bericht von einem Unfall die Rede ist«, sagte Nadal. »Und dass Van Upp in undurchsichtige Geschäfte mit der Euro-Bombay verwickelt gewesen sei. Was hätte er sonst dort zu suchen gehabt?«
    »Könnte mir mal einer verraten, worum es geht?«, beschwerte sich Dumont.
    »Der große Brand im Hafen. Vor zehn Jahren.«
    Dumont nickte. Allmählich fügten sich die Puzzleteile in seinem Kopf zusammen.
    »Es heißt, Van Upp …«, hob Nadal an.
    Aber ein Geräusch lenkte ihn ab. An der Tür machte sich jemand daran, mit einem spitzen Gegenstand den Namen von Kommissar X vom Milchglas zu kratzen.
    »Das geht aber schnell. Z hat seinen Namen nicht einmal dort stehen gesehen«, sagte Dumont.
    »Vor zehn Jahren hat Kommissar X in einem Mordfall in Verbindung mit Schmuggel ermittelt«, sagte Nadal. »Eine ziemlich große Sache, an der die Abteilung Sechs, aber auch der Geheimdienst und sogar das Wirtschaftsministerium beteiligt waren: Sie hatten die Euro-Bombay-Gesellschaft wegen Betrugs, Steuerflucht und weiß ich was im Visier. Ein Hinweis führte den Kommissar an den Kai 17, wo sich eins der Lager der Euro-Bombay befand. Das Gebäude war noch nicht umstellt, da fielen schon die ersten Schüsse. In der Halle brach Feuer aus. Sie verfügte nicht über den entsprechenden Brandschutz. Holzbau, Kisten, Verpackungsmaterial … Innerhalb von Minuten brannte sie lichterloh. Zur Überraschung aller ging plötzlich eine der Türen auf, und Van Upp trat heraus.«
    »Van Upp, der Vorzeigepolizist der Einheit. Van Upp, der Unfehlbare. Van Upp, der Ästhet«, sagte Nora Duarte.
    »… völlig weggetreten, hustend, kurz vor dem Ersticken, wirres Zeug redend. Man fragte ihn, was er dort mache und was da drinnen vorgefallen sei, aber …«
    »… Van Upp konnte nicht antworten. Er stand unter Schock. Er lag ein paar Tage im Krankenhaus und sprach auf nichts an. Da hielten es die Ärzte für das Beste für Van Upp …«
    »Van Upp, der Verrückte«, sagte Nadal. »Van Upp, mit dem Dreck am Stecken. Van Upp, der …«
    Die Tür wurde geschlossen. Der Mann, der den Namen von Kommissar X entfernt hatte (ein Hüne, wieso war ihnen das vorher nicht aufgefallen?), ging an ihnen vorbei in das Hauptbüro und zog die Tür hinter sich zu. Durch das Milchglas sahen sie, wie er seinen Mantel auszog, ganz langsam, als würde er eine zweite Haut abstreifen.
    »Gott der Allmächtige«, sagte Nora Duarte leise.
    Das Telefon auf Nadals Schreibtisch läutete. Es läutete ein zweites Mal. Nadal wirkte seltsam beklommen. Dumont bedeutete ihm, er solle abheben.
    »Abteilung Sechs«, meldete sich Nadal.
    Er sah seine Kollegen an (erst Nora
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