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Teuflischer Sog

Teuflischer Sog

Titel: Teuflischer Sog
Autoren: Clive Cussler
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7. Dezember 1941
Pine Island
Washington State
    Ein goldener Schatten sprang über das Dollbord des kleinen Bootes, als dessen Bug auf dem steinigen Strand aufsetzte. Der Golden Retriever platschte ins Wasser und pflügte durch die Wellen, wobei er seinen Schweif wie eine Siegesfahne hochreckte. Als er dann wieder auf trockenem Boden stand, schüttelte er sich, so dass die Wassertropfen aus seinem Fell flogen: wie Diamantsplitter durch die kühle, frische Luft. Dann blickte er zum Boot zurück. Der Hund bellte ein Seemöwenpaar an, das in einiger Entfernung auf dem Strand spazieren ging. Erschrocken ergriffen die Vögel die Flucht. Da ihre Gefährten viel zu langsam folgten, rannte die Rassehündin zu einer Baumgruppe in der Nähe. Ihr Gebell wurde immer leiser, bis es von dem Wald völlig verschluckt wurde, der den größten Teil der etwa zweieinhalb Quadratkilometer großen Insel bedeckte, die ungefähr eine Ruderstunde vor dem Festland lag.
    »Amelia«, rief Jimmy Ronish, der jüngste der fünf Brüder im Boot, den Hund.
    »Ihr wird schon nichts passieren«, sagte Nick, zog die Ruder ein und nahm die Bootsleine in die Hand. Er war der älteste der Ronish-Jungen.
    Vollendet koordinierte er seinen Sprung mit der Brandung und landete auf dem kiesbedeckten Strand, als sich eine Welle zurückzog. Drei lange Schritte später befand er sich oberhalb der Flutlinie aus Strandgut und teilweise getrocknetem Seetang und schlang die Leine um einen Balken Treibholz, der von der Sonne und dem Salzwasser gebleicht und mit zahllosen eingeschnitzten Initialen schraffiert war. Kräftig zerrte er an der Leine, um das vierzehn Fuß lange Boot auf festen Boden zu hieven. Dann band er es fest.
    »Beeilt euch«, ermahnte Nick Ronish seine jüngeren Brüder. »In fünf Stunden ist Ebbetiefststand, und wir haben noch eine Menge zu tun.«
    Während die Lufttemperatur um diese späte Jahreszeit noch einigermaßen angenehm war, hatte sich der Nordpazifik bereits empfindlich abgekühlt und zwang sie, ihre Ausrüstung im Rhythmus der vom Strand ablaufenden Wellen zu entladen. Eines der schwersten Ausrüstungsteile war ein einhundert Meter langes Hanfseil, das sich Ron und Don, die Zwillinge, gemeinsam auf die Schultern laden mussten, um es bis zum Strand zu schaffen. Jimmy war für den Rucksack mit ihrer Verpflegung zuständig, und da er erst neun Jahre alt war, hatte seine schmächtige Gestalt an dieser Last schwer zu tragen.
    Die vier älteren Jungen – Nick, neunzehn Jahre alt, Ron und Don ein Jahr jünger, und Kevin, nur elf Monate nach ihnen geboren – hätten mit ihren schlaffen, flachsblonden Haaren und ihren blassblauen Augen auch Vierlinge sein können. Obwohl sie bereits an der Schwelle zum Mannesalter standen, hatten sie sich die überschäumende Energie ihrer Jugend erhalten. Jimmy hingegen wirkte für sein Alter eher klein, mit dunklem Haar und braunen Augen. Seine Brüder hänselten ihn, indem sie meinten, er sehe wie Mr. Greenfield aus, der Gemüsehändler des Städtchens. Und auch wenn Jimmy nicht genau wusste, was das bedeutete, wusste er doch sofort, dass es ihm nicht gefiel. Er vergötterte seine älteren Brüder und hasste alles, was ihn von ihnen unterschied.
    Ihre Familie besaß die kleine Insel vor der Küste – und das schon so lange, wie die Erinnerung ihres Großvaters zurückreichte. Es war ein Ort, an dem jede Generation Jungen – denn seit 1862 hatte die Familie Ronish keinen weiblichen Nachwuchs mehr hervorgebracht – mit Abenteuern ausgefüllte Sommerferien verlebt hatte. Es fiel ihnen leicht, sich vorzustellen, sie wären allesamt Huck Finns und auf dem Mississippi gestrandet – oder Tom Sawyers und damit beschäftigt, das weitläufige Höhlensystem der Insel zu erforschen. Außerdem ging von Pine Island allein schon wegen des Schachts eine ganz besondere Faszination aus.
    Mütter hatten ihren Jungen stets verboten, in der Nähe des Schachts zu spielen, seit Abe Ronish, Großonkel des gegenwärtigen Ronish-Nachwuchses, im Jahr 1887 hineingestürzt war und dabei den Tod gefunden hatte. Das Verbot wurde selbstverständlich ignoriert, sobald es ausgesprochen worden war.
    Seine eigentliche Anziehungskraft verdankte die Insel aber einer örtlichen Legende, die zu berichten wusste, dass ein gewisser Pierre Devereaux, einer der erfolgreichsten Kaperer, die jemals die Karibik unsicher gemacht hatten, einen Teil seiner Beute auf dieser hoch im Norden liegenden Insel versteckt haben sollte. Und zwar allein aus dem
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