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Teuflischer Sog

Teuflischer Sog

Titel: Teuflischer Sog
Autoren: Clive Cussler
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seiner Brust rutschte ein Stück tiefer, und im Licht der Grubenlampe konnte Nick auf der Jacke seines Bruders einen dunklen Fleck erkennen, der zusehends größer wurde.
    Wasser hämmerte von oben auf sie herab, schlimmer als ein sommerlicher Wolkenbruch.
    »Halt durch, kleiner Bruder«, sagte Nick und packte einen Baumast. Er glaubte spüren zu können, wie das Holz seltsam vibrierte, als wäre das versteckte Ende unter Wasser mit irgendeiner Maschine verbunden.
    Ganz gleich wie er sich anstrengte, den Baumstamm aus dem Wasser zu ziehen, er hatte sich unter der Wasseroberfläche untrennbar mit irgendetwas verhakt. Unbarmherzig drückte er immer heftiger gegen Dons Brust.
    Don stieß einen Schmerzensschrei aus. Nick schrie ebenfalls aus Angst und Hilflosigkeit. Er wusste nicht, was er tun sollte, und suchte verzweifelt nach irgendeiner Möglichkeit, den Ast aus dem Körper seines Bruders herauszuziehen.
    »Halt noch einen Moment durch, Don«, sagte Nick, und dabei mischten sich Tränen mit dem Salzwasser, das über sein Gesicht strömte.
    Wieder rief Don seinen Namen, aber nur schwach, denn mindestens vier Zentimeter Holz hatten sich in seine Brust gebohrt. Nick reichte ihm seine Hand, die Don ergriff, aber die Kraft, die Angst und Schmerz ihm verliehen, begann nachzulassen. Seine Finger erschlafften.
    »Donny!«, rief Nick.
    Don öffnete den Mund. Nick sollte nie erfahren, welches die letzten Worte seines Bruders hätten sein sollen. Blut quoll zwischen Don Ronish’ bleichen Lippen hervor. Der erste Schwall ging in einen ständigen Strom über, der sich im Meerwasserregen rosig färbte und ihm über Hals und Brust rann.
    Nick warf den Kopf in den Nacken und brüllte. Es war ein Urschrei, der von den Schachtwänden widerhallte, und er wäre für immer an der Seite seines Bruders geblieben, wenn der zweite Wergpfropfen nicht nachgegeben und sich die Wassermenge nicht verdoppelt hätte, die nun in den Schacht rauschte.
    Er hantierte in dem Wasserfall mit dem Seil herum und hängte sein Geschirr in die Schlinge ein. Er hasste, was er zu tun im Begriff war, aber er hatte keine andere Wahl. Also zog er an der Senkbleischnur. Seine anderen Brüder wussten offenbar, dass etwas nicht in Ordnung war, denn sie holten ihn sofort nach oben. Nick hielt den Lichtstrahl seiner Lampe auf Don gerichtet, bis der leblose Körper nur noch ein bleiches Schemen in der Tiefe war. Und dann war er ganz verschwunden.
     
    Don Ronish’ Gedenkgottesdienst fand am darauffolgenden Donnerstag statt. Die Welt hatte sich in den Stunden, in denen die fünf Brüder Forscher und Entdecker gespielt hatten, dramatisch verändert. Die Japaner hatten Pearl Harbour bombardiert, und die Vereinigten Staaten befanden sich jetzt im Krieg. Nur die Navy verfügte über die geeignete Tauchausrüstung, die nötig war, um Dons Leichnam zu bergen. Doch die Bitte seiner Eltern war auf taube Ohren gestoßen. Sein Sarg blieb leer.
    Seit der schrecklichen Nachricht hatte ihre Mutter nicht mehr gesprochen, und sie musste sich während des gesamten Gottesdienstes an ihren Vater lehnen, um nicht in Ohnmacht zu fallen. Als der Gottesdienst dann beendet war, befahl er den drei Ältesten, an Ort und Stelle zu bleiben, und brachte ihre Mutter und Jimmy zu ihrem Wagen, einem alten Hudson, den sie gebraucht gekauft hatten. Er aber kehrte zum Grab zurück, mindestens zehn Jahre älter, als er noch am Sonntagmorgen gewesen war. Er sagte nichts, blickte nur von einem Sohn zum nächsten, die Augen gerötet. Dann griff er in die Jacketttasche des einzigen Anzugs, den er besaß – er hatte in diesem Anzug geheiratet und ihn auch zur Beerdigung seiner Eltern getragen. Drei Bögen Papier hielt er in der Hand. Er reichte jedem seiner Söhne einen und wartete mit dem für Kevin einen kurzen Moment. Dann drückte er einen Kuss darauf, ehe er das Papier seinem Sohn in die Hand gab.
    Es waren Geburtsurkunden. Die, die er Kevin gegeben hatte, gehörte Don, der achtzehn Jahre alt gewesen und daher geeignet war, sich zum Militär zu melden.
    »Es ist wegen eurer Ma. Sie kann es heute noch nicht begreifen. Macht unserer Familie Ehre, vielleicht wird euch dann verziehen werden.«
    Er machte auf dem Absatz kehrt und ging davon. Dabei hingen seine mageren Schultern herab, als läge eine Last auf ihnen, die schwerer war, als sein Körper sie je hätte tragen können.
    Und so begaben sich die drei Jungen zum nächsten Rekrutierungsbüro, sämtliche Gedanken an jugendliche Unbeschwertheit durch die
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