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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin
Autoren: balzon
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Italien? Eines Tages – und vielleicht früher, als man denkt – werde ich meine Rolle hier zu Ende gespielt haben und Schweden verla s sen. Du hast mir versprochen, mich zu begleiten.«
    Nun konnte sich Elin ihren Sarkasmus nicht verkne i fen.
    »Ich war jung, als ich das Versprechen gab.«
    Kristina zog die Luft scharf durch die Nase ein und hob das Kinn. »Überlege es dir gut. Wenn du jetzt gehst, werden sich unsere Wege für immer trennen.«
    Elin schluckte. Gegen ihren Willen stiegen ihr Tränen in die Augen. »Das weiß ich, Majestät.«
    »Mein Gott«, sagte Kristina mit einer Stimme, die nun vor Verachtung und verletztem Stolz bebte. »Du bist ta t sächlich eine gewöhnliche Frau geworden – allzu g e wöhnlich. Wie konnte ich nur jemals denken, du wärest mir ähnlich!« Sie sah Elin an, als wartete sie verzweifelt auf etwas – eine Entschuldigung, einen Widerspruch vie l leicht. Doch Elins Schweigen war Antwort genug. »Dann verschwinde!«, schrie Kristina. »Lass mich allein – folge der Liebe, wenn du dich unbedingt unglücklich machen willst!«
    Elin krampfte ihre Finger ineinander, um Kristina nicht zu zeigen, wie sehr ihre Hände zitterten.
    »Wie Sie befehlen, Majestät. Aber vorher möchte ich noch den Wunsch geltend machen, dessen Erfüllung Sie mir versprochen haben, als ich an Ihrer Stelle verwundet wurde.«
    »Was willst du?«
    Elin holte tief Luft und nahm all ihren Mut zusammen.
    »Meine Papiere«, sagte sie mit fester Stimme. »Alle Unterlagen, die in Kester Levens Besitz sind.«
     
    Tag für Tag ging Elin in der Botschaft auf und ab, räumte ihre Bücher von einer Truhe in die nächste und konnte vor Ungeduld kaum schlafen. Auch jetzt war es wieder Lovisa, die bei ihr war, obwohl sie Elins En t scheidung, Henri zu heiraten, ebenso wenig billigte wie Kristina.
    »Ach Kind«, seufzte sie nur. »Ich wünsche dir alles Glück der Welt – aber ein wenig mehr Besonnenheit würde dir das Leben leichter machen. Was wirst du denn nur ohne mich machen?«
    Meistens aber verbrachten sie die Nachmittage in der Botschaft ohne viele Worte. Nach und nach ließ Lovisa Elins persönliche Habe in die Botschaft bringen und b e reitete die Reise vor. Elin hielt sich in diesen Wochen am liebsten in ihrer Kammer auf. Madame Chanut hatte ihr das Gemach gegeben, in dem auch Henri vor einigen Monaten gewohnt hatte, und Elin schmiegte sich nachts in die Kissen und stellte sich vor, wie es sein würde, Henri wieder umarmen zu können. Längst waren die G e spenster aus ihren Träumen verschwunden, dafür war es nun Descartes, der sie nicht zur Ruhe kommen ließ. In einem Brief an Hampus hatte sie den Verlauf der Kran k heit beschrieben – schließlich hatte sie Kristina geschw o ren, nicht über den Vorfall zu sprechen. Von Schreiben hatte die Königin dagegen nichts gesagt – und Hampus war ihr Freund. Beinahe ebenso sehr wie um den Phil o sophen trauerte Elin um ihre Freundschaft zu Kristina. Insgeheim hoffte sie, dass die Königin ebenfalls schlaflos in ihrem Gemach lag und über ihren Streit nachdachte. Trotz des Zerwürfnisses und Monsieur Descartes ’ Tod, der immer zwischen ihnen stehen würde, fehlte ihr Kri s tina unendlich.
    Nach dem langen Winter brach das Eis erst Anfang April und verwandelte das Hafenwasser in eine Ebene aus glitzernden Eistrümmern. Elin erinnerte dieser A n blick an einen Spiegel, der in tausend Scherben zerbr o chen war, in denen sie nicht mehr Kristina, sondern nur noch Bruchteile ihrer eigenen Vergangenheit sah. Schiff um Schiff lief im Hafen ein, aber Henri kam nicht. In ihren Träumen sah Elin ihn von Wegelagerern überfallen, ausgeraubt, ertrunken bei e i nem Schiffbruch oder schwer erkrankt. Sie wagte kaum mehr, zu Enhörning und Lars zu gehen, aus Angst, seine Ankunft zu verpassen. Statt einer Nachricht von Henri brachte ein Bote Ende April einen Brief von Hampus. Elin bekam Herzklopfen, als sie ihn entgegennahm. Rasch entschuldigte sie sich bei den Chanuts, mit denen sie eben beim Souper saß, und eilte in ihre Kammer. Sie hatte Angst, den Brief zu öffnen, aber schließlich fasste sie Mut. Hampus ’ schöne, rege l mäßige Schrift zu sehen, war ein wenig so, als würde ihr Freund bei ihr sein. Der Brief war in einem sehr höfl i chen Ton gehalten, aber Elin konnte zwischen den Zeilen immer noch seine Enttäuschung und seinen Kummer hindurc h schimmern sehen. Umso mehr liebte sie Hampus für se i ne Größe, ihr so herzlich und aufrichtig zu gr a tulieren.
     
    Ich
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