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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin
Autoren: balzon
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wünsche Dir und Henri tausend Nächte voller Sterne und Tage voller Rosenduft, Und ich hoffe, Euch beide eines Tages wieder zu sehen – wer weiß, wo sich unsere Wege kreuzen werden. Nur in Schweden, gla u be ich, s i cher nicht mehr …
     
    Elin war so in diese Worte vertieft, dass sie nicht hö r te, wie jemand leise an ihre Tür klopfte. Langsam schwang die Tür auf. Elin sprang von ihrem Stuhl hoch.
    Der Mann, der in der Tür stand, war sicher nicht der Henri, den sie vor bald einem halben Jahr das letzte Mal geküsst hatte, aber immerhin ein junger Mann, der ihm sehr ähnlich sah. Beinahe erschreckend erwachsen war er geworden. Um s einen Mund hatten sich Falten eingegr a ben, er war abgemagert und völlig erschöpft von der Re i se. Regen hatte sein Haar durchnässt und tropfte auf se i nen Kragen. Zögernd trat er in ihr Zimmer, aber Elin wagte nicht, ihm um den Hals zu fallen, so ernst war sein Blick. Er räu s perte sich und rieb sich die Hände.
    »Nun, der Ärmste unter den Reichen steht vor Ihnen, Mademoiselle. Enterbt bis auf ein halb zerfallenes Lan d gut, zwei Webereien und ein paar schäbige Hanffelder. Reich werden wir damit nicht.«
    Das »wir« entfachte ein Lächeln auf Elins Gesicht. Ihr wurde warm – jetzt wusste sie, was Henri so fremd wi r ken ließ: Von Wams und Mantel waren die kostbaren Goldborten verschwunden. Er atmete noch einmal tief durch und sprach weiter.
    »Ein zukünftiger Marquis war dir nicht gut genug. Aber vielleicht gibst du dich mit einem einfachen Lan d adligen zufrieden. Ich jedenfalls kehre nicht ohne dich nach Frankreich zurück. Dafür war der Beweis zu teuer erkauft. Die Verlobung zu lösen war beinahe schlimmer als der Schuss ins Bein!«
    Elin war mit zwei Schritten bei ihm und umarmte ihn. Seine Lippen waren rau und sein Kuss eiskalt von der nordischen Frühlingsluft. Trotzdem wärmte er Elin wie ein lang verschüttet geglaubtes Feuer.
     
    Die Verlobung wurde nachts in Chanuts Botschaft gefe i ert. Es duftete nach Helgas Marzipan und heißem Krä u terwein. Im Salon hatte Madame Chanut das beste G e deck aufgelegt.
    Draußen in den Gassen war es vollkommen still, die Mainacht war schwarz und undurchdringlich. Kristina hatte ihr Versprechen gehalten. Am Morgen hatte Herr Freinsheim Elin eine versiegelte Mappe mit Schriftst ü cken überreicht, dazu einen Brief mit der Aufforderung, ihn sogleich zu lesen. Darin gab die Königin Elin, ihrem Mündel, nun auch die offizielle Erlaubnis, sich zu verl o ben und Schweden zu verlassen. Elin war überrascht, dass Kristina sie »in absentia« nobilitiert hatte. Ohne den Schutz eines Titels werde ich mein Mündel nicht in eine ungewisse Zukunft ziehen lassen, hatte der Sekretär Bengt die Worte der Königin niedergeschrieben. Eine Baronesse kann ich aus ihr nicht machen, aber sie darf sich von nun an zu den Edelfrauen zählen und sich Frä u lein von Asenban nennen. Elin stellte sich vor, wie Kri s tina mit ihrer nüchternen Stimme die Zeilen diktierte und dabei in ihrem Kabinett umherging – in der Hand bereits ein anderes Schriftstück, mit dem sich ihr Auge und ihr Geist beschäftigten. Außerdem wird Frau Lovisa – ob sie nun Schiffe mag oder nicht – auf meinen Befehl hin Frä u lein von Asenban begleiten und prüfen, ob mein Mündel gebührend empfangen wird und standesgemäß lebt. Als Gratifikation für ihre Treue und ihre geleisteten Dienste erhält Fräulein von Asenban zud em 8000 Rik s daler, die ihr in schweren Stunden, die sie zweifellos auf ihrem Weg erwarten, nützen mögen.
    Seltsamerweise machte das Geldgeschenk Elin im er s ten Moment traurig. Es war ein erkaufter Friede – und Elin hätte es trotz allem lieber gesehen, wenn Kristina in die Botschaft gekommen wäre, um ihr ein letztes Mal die Hand zu geben. Noch mehr Überwindung, als Kristinas Brief zu lesen, hatte es s ie gekostet, die Mappe mit den Dokumenten aufzuschlagen. Viel lag nicht darin – me h rere Blätter mit Kri t zeleien und ein Brief. Vermutlich hatte ihr Vater ihn nicht selbst geschrieben, sondern auf dem Feld einen Schreibkundigen dafür bezahlt. Elin beugte sich über den Brief und las ihn Zeile für Zeile g e nau durch. Und noch ein zweites und ein drittes Mal. Erst dann sah sie sich die verschmierten Blätter an. Mit ung e lenker Hand hatte ihr Vater eine Gestalt gezeichnet, mit dem Stück eines ve r kohlten Astes vielleicht, irgendwo auf dem Feld. Eine Frau, mit langem, hellem Haar, das ihr bis auf die Hüfte fiel.
    »Der erste
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