Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin
Autoren: balzon
Vom Netzwerk:
dem Brot und den anderen Speisen. Haben Sie verstanden ? «
    Descartes zog einen Mundwinkel hoch und schluckte schwer. Er musste mehrere Versuche machen, bevor er endlich seinen Satz herausbrachte: »Ich werde diesen Feind austreiben. Bringen Sie mir Wein, vermischt mit Tabak.«
    Lars wunderte sich nicht, als Elin im Stall erschien und ihn um einen Gefallen bat. Der sonst so laute und harsche Stallmeister hörte sich ihren geflüsterten Ve r dacht an und nickte. »Einverstanden. Dann werde ich mich auf Mäusejagd begeben. Wo ist das Brot?«
    Elin reichte ihm das befleckte Taschentuch, in dem sie das in Wein getunkte Brot aus Descartes ’ Kammer au f bewahrte.
    »Wasch dir die Hände, nachdem du das Brot angefasst hast«, ermahnte sie ihn. »Ich habe damit den Rest aus Descartes ’ Weinbecher aufgesaugt.«
    »Weiß die Königin es schon?«
    »Noch nicht, aber ich gehe gleich jetzt ins Schloss, um mit ihr zu reden.«
    Da Kristina an diesem Tag nicht zu sprechen war, b e schloss Elin, stattdessen Freinsheim einzuweihen, und bat ihn, unter strengster Geheimhaltung die Königin zu informieren. Die Chanuts sagten allen Besuchern ab, nur Elin blieb in der Botschaft und wachte Tag und Nacht an Descartes ’ Bett. Hier, in der Dunkelheit, in der sie nur die unregelmäßigen, gequälten Atemzüge des Kranken hörte, kam sie zum ersten Mal seit Monaten wirklich zur Ruhe. In Gedanken ließ sie jeden Besucher der letzten zehn Tage noch einmal Revue passieren. Tervué natü r lich, mindestens sechs weitere Wissenschaftler, ausländ i sche G ä ste aus Tre Kronor, ja selbst Doktor van Wullen hätte Descartes unbemerkt ein Gift verabreichen können, o b gleich Elin beim besten Willen nicht wusste, was ihm der Tod des Philosophen nützen könnte. Bei den Wisse n schaftlern lag die Antwort dagegen auf der Hand. De s cartes hatte sich seit seiner Ankunft in Stockholm viele Feinde gemacht.
    Dann gab es noch den Hauskaplan und die Bedienst e ten – jeder hätte sie bestechen können, das Gift zu ver a breichen. Niedergeschlagen lehnte sich Elin in ihrem Sessel zurück und schloss die Augen. Seit Tagen hatte sie kaum geschlafen und nun glitt sie langsam in einen Dämmerschlaf hinüber. Henri hatte nicht geheiratet – und hier, neben einem Kranken, in der größten Sorge, schlich sich unbemerkt die Freude darüber an, dass ihr Geliebter auf dem Weg nach Stockholm war.
     
    Van Wullen hatte mit seiner Prognose Recht gehabt. Elin wusste es, noch bevor sie die Augen öffnete. Als sie am zehnten Tag von Descartes ’ Erkrankung mit steifen Gliedmaßen im Sessel erwachte, war das rastlose Atmen verstummt. Stattdessen hörte Elin nur noch das Kratzen einer Feder.
    »Gegen vier Uhr hat er Gott seine Seele zurückgeg e ben«, sagte van Wullen. Aschgrau im Gesicht saß er am Tisch neben dem Fenster, wo er einen Brief schrieb. »Ich wollte Sie nicht wecken.«
    Obwohl Elin es insgeheim erwartet hatte, war der Schmerz über den Verlust heftig und unerwartet.
    »Sie wissen, dass er nicht an einer Lungenentzündung gestorben ist«, flüsterte sie. »Sie müssen es bezeugen, damit der Mörder gefunden wird!«
    Van Wullen legte die Feder nieder und knetete seine Hände, als würden sie schmerzen.
    »Ich werde gar nichts bezeugen. Und nun lassen Sie mich meinen Brief an einen Freund in Holland zu Ende schreiben.« Beim Blick in Elins Gesicht seufzte er und tippte viel sagend a uf das zur Hälfte beschriebene Papier. »Es kommt nicht darauf an, was wir wissen«, sagte er eindringlich. »Wer wissen will, wird zwischen den Ze i len lesen.«
     
    Die Königin war blass und hatte verquollene Augen. Bei der Todesnachricht war sie in Tränen ausgebrochen. Nun betrachtete sie angewidert den Eimer, den Elin zu ihrer Unterredung mitgebracht hatte. Elin hob das Gitter, mit dem der Eimer abgedeckt war. Die Maus lag vere n det am Boden – ihre verkrampften Gliedmaßen zeigten, dass der Tod qualvoll gekommen war.
    »Was soll ich nun mit dem Vieh?«, fragte Kristina.
    »Sie hat das gefressen, was Monsieur Descartes am sechsten Tag seiner Krankheit zu sich genommen hat. Er wurde vergiftet.«
    »Und das beweist du mit einer einzigen Maus ? Nicht sehr wissenschaftlich.«
    Elin wurde rot.
    »Ich weiß«, gab sie zu. »Ich hatte Lars gebeten, mi n destens zwei Mäuse zu fangen, um zu sehen, ob sie beide eingehen, aber die zweite ist leider entwischt.«
    »Dann tut es mir Leid, Elin«, erwiderte Kristina eine Spur zu schnell. »Das reduziert deinen Beweis zu einer reinen
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher