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Der Spiegel der Königin

Der Spiegel der Königin

Titel: Der Spiegel der Königin
Autoren: balzon
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Gast hat schon geklopft!«, rief Madame Chanut ihr zu.
    Elin, die eben noch nachdenklich den Rosenkranz i h res Vaters betrachtet hatte, blickte auf. Es war Lars. Der alte Reitmeister hatte seine Uniform angelegt. Stolz und ernst wie ein Brautvater trat er vor und schloss Elin in die Arme. Es klopfte wieder – und gleich darauf noch ei n mal. Vier Lastenträger schleppten ächzend Lovisas prall g e füllte Reisetruhen in den Raum. Die alte Kammerfrau war beim Gedanken an die Schifffahrt, die ihr bevo r stand, bleich wie ein Gespenst, aber sie lächelte Elin ta p fer zu und bat um einen Wein. Als Nächstes kam Helga und überreichte Elin eine schwedische Brautkrone. »Ich weiß, dass es bei einer französischen Hochzeit nicht der Brauch ist, eine Krone zu tragen«, erklärte sie. »Aber wenn du erst einmal in deinem neuen Land bist, wirst du froh sein, ein Stück Heimat mitgenommen zu haben.«
    »Es wird Elin eine große Ehre sein, Ihre Krone auf u n serer Hochzeit zu tragen«, sagte Henri mit einem L ä cheln. Kaum hatten sie am Tisch Platz genommen, klop f te es wieder. Män t el rauschten im Flur, fröhliches Lachen erklang – dann betraten Magnus de la Gardie, seine Frau und Ebba den Raum – gefolgt von Herrn Freinsheim. Madame Chanut schlug die Hände über dem Kopf z u sammen und ließ noch mehr Teller holen.
    »Herr van Wullen konnte sich beim besten Willen nicht davonstehlen!«, rief Ebba mit einem verschmitzten Lächeln. »Aber er schickt dir Grüße und Glückwü n sche.«
    »Haben Sie sich etwa alle aus dem Schloss geschl i chen?«, fragte Henri.
    Magnus zwinkerte ihm zu. »Nun, wir sind eher schla f gewandelt. Morgen werden wir uns nicht mehr daran e r innern.«
    Es wurde ein Fest, das Elins Herz noch lange wärmen würde. Seit Ewigkeiten war sie nicht mehr so fröhlich gewesen – Magnus erzählte die Geschichte von Henris Unfall mit Enhörning in einer Weise, dass sogar Henri Tränen lachte. Die vergangenen zwei Jahre wurden wi e der lebendig, zogen an Elin vorbei – funkelnde Geschic h ten, die sich wie Perlen an einer Kette aneinander reihten. Böse und gute, traurige und lustige. Als die Mitternacht längst vorbei war und von Helgas Konfekt kein Krümel mehr auf der Silberplatte lag, stand Elin auf und erhob ihr Glas.
    »Ich möchte auf zwei Frauen trinken. Eine davon kennt ihr sehr gut – die Königin, der wir alle viel zu ve r danken haben. Die andere … kenne ich nicht, aber ich weiß zumindest ihren Namen. Es ist meine Mutter. Sie hieß Elisabeth Krieschen und war die Tochter eines Ge r bers aus München.«
    »Das ist nur drei Tagesreisen von meiner Heimatstadt Ulm entfernt!«, rief Freinsheim dazwischen.
    Elin nickte. »Da mein Vater sie auf der Insel Usedom kennen lernte, ist es nicht verwunderlich, dass ich dort keine Spuren über sie und ihre Familie fand. Ob sie eine Hure war, weiß ich immer noch nicht. Tatsache ist j e doch, dass mein Vater und sie geheiratet haben – in e i nem Feldlager. Meine Mutter war Katholikin. Ihr zuliebe ist mein Vater zum Katholizismus konvertiert – heimlich, als Hochverräter an Schweden. Ich … bin katholisch g e tauft worden – ebenso heimlich, in einer zerstörten Ki r che am Rand des Schlachtfelds.«
    Die Stille dauerte nur einen Moment, dann scharrten die Weingläser über die Tafel und die Stuhlbeine über den Boden. Lars hob feierlich sein Glas.
    »Auf unsere Königin und auf Elisabeth Krieschen!«
    Henri nahm einen tiefen Schluck und griff nach Elins Hand. Doch Elin entzog sie ihm und räusperte sich.
    »Und dann habe ich noch ein Anliegen«, sagte sie in die Runde. Sie griff zu ihrem Taschentuch und klappte es auseinander. Lovisa begann zu lächeln. Elin zwinkerte ihr zu und nahm das Geschenk für Henri heraus. Es füh l te sich so an wie an dem Tag, an dem Lovisa es ihr en d lich gegeben hatte – nur war es blanker, weil Elin es sei t dem unzählige Male betrachtet und hin und her gewendet hatte.
    »Ihr Riksdaler«, sagte sie zu Henri. »Mit bestem Dank zurück.«
    Viel später am Abend, als die letzte Weinflasche g e leert war und alle Geschichten mehrmals erzählt, erhoben sich ihre heimlichen Gäste und umarmten Elin nachei n ander zum Abschied. Lars drückte sie so fest an sich, dass ihr die Luft wegblieb.
    »Leb wohl, zukünftige Madame de Vaincourt«, brummte er und küsste sie auf die Stirn. »Falls du mich brauchst, um Lovisa zu fesseln, damit sie morgen mit dir aufs Schiff geht, weißt du ja, wo du mich findest.«
     
    Fesseln
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