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Der Sommer der Legenden

Der Sommer der Legenden

Titel: Der Sommer der Legenden
Autoren: Sarah Eden
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ihr in den Sinn. »Sie und ihre Familie... Sie sind in Gefahr... Sie sollten nicht hierbleiben - nicht hier!«

    Okay, er war einundneunzig Jahre alt, ein Greis, ein Methusalem, um die Jahrhundertwende geboren - aber er hatte keinen senilen, verkalkten Eindruck gemacht. Im Gegenteil...
    Carol versuchte, die düsteren Gedanken zu verscheuchen.
    Taylor lag da wie ein Unschuldsengel, als könnte sie kein Wässerchen trüben. Doch Carol wusste es besser.
    »Es wird ein Kind aus Blitz und Donner«, hatte Fisher damals vorausgesagt, als sie ihm das Ergebnis ihres Schwangerschaftstestes ins Ohr geflüstert hatte. Er dachte dabei an das fürchterliche Gewitter, das ihre leidenschaftliche Liebesnacht Wochen zuvor begleitet hatte.
    Und so war es dann auch gekommen. Taylor hatte tatsächlich manchmal den Teufel im Leib.
    Aber im Moment schlief sie friedlich, ihr Gesicht sah gelöst und zufrieden aus.
    Ihre Bettdecke war glatt bis zum Hals hochgezogen, Hände und Arme darunter verborgen. Nur der Lockenkopf schaute daraus hervor.
    Carol beugte sich etwas vor und wollte behutsam das blasse Gesicht berühren. Aber noch ehe sie sich weit genug genähert hatte, schlug Taylor die Augen auf.
    Einen Moment lang beschlich Carol erneut ein beklemmendes Gefühl. Taylors Augen wirkten wie zwei dunkle Brunnen, die unendlich tief waren und einen auf unerklärliche Weise in den Abgrund lockten.
    Mühsam riss sie sich von dem Anblick los. »Was ist denn los, Kleines?« fragte sie mit belegter Stimme. »Was hast du gestern angestellt, dass du so müde bist?«
    Taylor schien sich die Antwort gut zu überlegen. Sekundenlang bewegte sie sich weder, noch kam irgendein Laut über ihre Lippen. Das pausbäckige Gesicht blieb selten leblos, obwohl die Augen keinen Zweifel daran ließen, dass sie wach war und die Frage ihrer Mutter gehört hatte.
    »Ich konnte nicht kommen«, sagte sie unvermittelt.
    »Ja, weil du geschlafen hast«, meinte Carol.
    Taylor schüttelte den Kopf.
    »Du hast gar nicht geschlafen?«
    Wieder Kopfschütteln.
    »Was hast du dann getan?« fragte Carol erstaunt.
    Das ungute Gefühl wurde stärker. Sie hatte Taylor früher nie so distanziert erlebt. Fast schien es, als habe irgendjemand eine unsichtbare Barriere zwischen ihnen errichtet. Etwas Unnahbares lag auf Taylors kindhaften Zügen, und schuld daran waren vor allem ihre Augen, dieser schwermütige, abwesende Ausdruck darin, der einfach nicht zu der Taylor passte, die Carol kannte.
    »Gespielt«, hauchte Taylor.
    Carols besorgte Züge entspannten sich. Sie lächelten verständnisvoll. »So?« sagte sie. »Was war das denn für ein Spiel?«
    Taylor zuckte die Schultern. »Ich weiß nicht.«
    »Aha«, erwiderte Carol, bemüht, ernsthaft zu bleiben. »Aber jetzt stehst du besser auf und sagst deinem Vater unten erst mal guten Morgen. Was meinst du?« Sie schlug die Decke zurück und wollte Taylor aus dem Bett helfen. Da sah sie das Ding, das ihre Tochter mit beiden Händen fest umklammert bislang unter der Decke verborgen gehalten hatte.
    »Was hast du denn da?«
    Carol griff achtlos danach, musste aber erkennen, dass Taylor nicht bereit war, sich von dem merkwürdigen Gegenstand zu trennen.
    Sie ließ es einfach nicht los, und ein eigentümlicher, nie gehörter Protestlaut löste sich aus ihrer Kehle.
    Carol wich unwillkürlich etwas zurück.
    Ganz kurz nur hatte sie die Finger an diesem... diesem Ding gehabt, aber dieser flüchtige Moment hatte ausgereicht, ein unerklärliches Unbehagen in ihr zu wecken.
    Das sonderbare Objekt war nicht größer als Taylors Kinderhand - eine flache, mattschimmernde Scheibe aus rötlichem Stein, die uralt aussah, von Schrammen und unbekannten Symbolen übersät...
    Carol spürte, wie sich etwas in ihr gegen dieses Ding zur Wehr setzte. Es stieß sie ab.
    So ähnlich musste ein Meteorit aussehen, der Jahrmillionen lang durch dunkle, kalte Sternenträume irrte, ehe ihn schließlich ein Planet wie die Erde mit ihrer Anziehungskraft einfing.
    Etwas Fremdes, nie Verspürtes ging davon aus.
    »Wo hast du das her?« fragte Carol barscher als gewollt.
    Taylor antwortete nicht.
    In ihren Augen glomm Angst, als habe ihre Mutter sie erschreckt.
    Carol bedauerte es, aber sie wollte wissen, woher Taylor diesen mysteriösen Gegenstand hatte.
    »Wer hat dir das gegeben?«
    Sie sah, dass das Kind mit sich kämpfte. »Der... Bote«, antwortete Taylor schließlich kaum verständlich.
    »Der Postbote?« fragte Carol ungläubig. »Großer Gott, wer schickt denn so
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