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Der Sommer der Legenden

Der Sommer der Legenden

Titel: Der Sommer der Legenden
Autoren: Sarah Eden
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Augen der vierjährigen Taylor. Manchmal sah es aus, als sprängen Funken aus ihrer Iris ins Halbdunkel des Zimmers.
    Das kleine Mädchen saß halb aufgerichtet in einem Bettchen und blickte starr in die Ecke des Zimmers, wo der nächtliche Besucher kauerte.
    »Spottet Fawn«, wisperte eine Stimme, die wie das Säuseln des Windes durch den Raum wehte.
    »Wer bist du?«
    Taylor klatschte kurz in ihre
    Hände, als wollte sie damit ihrer Frage Nachdruck verleihen.
    »Der Bote«, wisperte die Stimme.
    Damit konnte das Mädchen nichts anfangen.
    »Woher kommst du?«
    Ein undefinierbares Geräusch stieg aus der Kehle des Unsichtbaren. Sonst kam keine Antwort.
    Statt dessen flog plötzlich etwas singend durch die Luft und landete genau vor Taylor auf der Bettdecke.
    Etwas, das im Mondlicht wie geronnenes Blut glänzte.
    »Für dich«, raunte der Dämon.

    »Wo bleibt Taylor nur?« fragte Carol am nächsten Morgen, als sie am Frühstückstisch saßen - einer Oase inmitten des Durcheinanders, das immer noch in den meisten Räumen des riesigen Hauses vorherrschte.
    Carol hatte Wert darauf gelegt, wenigstens Küche, Bad und beide Schlafzimmer so wohnlich wie möglich herzurichten, ehe sie sich an die groben Auf- und Einräumungsarbeiten machte, bei denen Fisher doch nur im Weg herumgestanden hätte. Dafür durfte er sich ganz allein um die Einrichtung seines computerbeherrschten Refugiums kümmern.
    Carol mochte die technischen Mätzchen nicht sonderlich, respektierte es aber, dass ihr Mann sein Geld damit verdiente. So wie er nie darüber klagte, dass sie »eine von diesen Schreiberlingen« war, die ihr Geld durch bloßes Phantasieren verdienten...
    »Keine Ahnung.« Fisher zuckte die Schultern und kippte den Rest seines Kaffees hinunter. »Soll ich mal nachsehen?«
    Carol schüttelte den Kopf. Sie war schon eine Weile fertig und war nur noch sitzen geblieben, um ein bisschen zu plaudern. »Lass nur. Ich schau' mal nach.«
    Sie stand auf, durchquerte den engen Korridor und stieg die steile Treppe mit dem krummen Geländer nach oben.
    Der Weg war noch nicht so vertraut, dass sie ihn achtlos gehen konnte. Sie entdeckte tausend kleine Details, die die widersprüchlichsten Gefühle in ihr weckten.
    Vieles von der ursprünglichen Einrichtung und Dekoration der Ranch war indianischen Ursprungs. Die Wände waren übersät von Schmuck, Jagdtrophäen und handgewebten Teppichen mit den typischen Motiven der amerikanischen Ureinwohner. Auch primitive Waffen wie Bögen, gefüllte Pfeilköcher, Dolche und Tomahawks hingen herum.
    Am widerlichsten war eine Art Schrumpfkopf, der genau über dem Querbalken am oberen Ende der Treppe befestigt war und jeden, der hinaufstieg, gleichsam hämisch, mit gebleckten Zähnen und pupillenlosen Augenhöhlen anglotzte.
    Neben dem Galgengerüst war dies der dringlichste Stein des Anstoßes, den Fisher entfernen musste, wenn er Wert auf Carols Seelenfrieden legte. Sie erschreckte sich jedes Mal fast zu Tode, wenn sie in das vertrocknete Indianergesicht schaute.

    Es war acht Uhr früh, als sie leise die Tür zum Kinderzimmer öffnete.
    Entgegen ihrer sonstigen Gewohnheit hatte Taylor ihre Eltern nicht durch ihr Geplapper geweckt und auch nicht beim Frühstück heimgesucht. Sie schien sich in der neuen, noch ungewohnten Umgebung bei ihren ersten Erkundungsgängen ziemlich verausgabt zu haben.
    Doch das war ja kein Wunder. Das hier war schließlich etwas völlig anderes als die Stadtatmosphäre, in der sie bis dahin aufgewachsen war.
    Carol seufzte. Ihr Töchterchen würde sich an das Landleben gewöhnen und es genießen. Davon war sie überzeugt.
    »Taylor!« rief sie leise.
    Keine Antwort.
    Carol zog die Tür ganz auf und trat in den dämmrigen Raum. Sie wusste nicht warum, aber sie hatte plötzlich wieder so ein ungutes Gefühl, fast so etwas wie Furcht.
    Unsinn, dachte sie.
    Taylor lag reglos in ihrem Bettchen.
    Für einen flüchtigen Moment erstarrte Carol, weil die grausame Vorstellung in ihr aufkeimte, ihr Kind könnte tot sein.
    Mit angehaltenem Atem blieb sie vor dem Bett stehen, fixierte das schwarzhaarige Mädchen und wagte erst weiterzuatmen, als sie die kaum wahrnehmbare Bewegung ausmachte, mit der sich die Bettdecke hob und senkte.
    Was ist nur los mit mir? fragte Carol sich ratlos. So nervös und schwarzmalerisch kannte sie sich selbst gar nicht. Es ist das Haus, dachte sie schaudernd. Irgendetwas in diese« Wänden scheint uns stets zu belauern...
    Reverend Stomas fast orakelhafte Warnung kam
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